«Och nöö», seufzt Lucky Luke, nachdem er mit seinen Sporen den Fahrradschlauch zerfetzt hat.
Lucky Luke nicht im Pferde-, sondern auf dem Fahrradsattel? Nicht auf Jolly Jumper, sondern auf einem klapprigen Drahtesel? Unvorstellbar! Und doch hat es der deutsche Comic-Autor Mawil (eigentlich Markus Witzel) gewagt, den beliebten Westernhelden auf zwei Rädern statt auf vier Hufen durch die Prärie zu jagen.
Selbstloser Retter in der Not
Wie so oft beginnt die Geschichte damit, dass Lucky Luke einen Unbekannten aus höchster Not rettet. Dieser Unbekannte aus dem zahmen Osten ist klein, rundlich und ängstlich, er heisst Albert Overman und transportiert ein Fahrrad nach Kalifornien, wo er an einem Radrennen beweisen will, dass es den damals üblichen Hochrädern überlegen ist.
Genau dies will sein skrupelloser Konkurrent, der Hochradkonstrukteur Pope, um jeden Preis verhindern. Und schon sind wir mittendrin in einem turbulenten Lucky-Luke-Abenteuer mit fiesen Gaunern, gierigen Geschäftsleuten, dümmlichen Killern und misstrauischen Indianern – aber ohne Jolly Jumper.
Gegen den Strich bürsten
Der 43-jährige Mawil machte sich einen Namen mit witzigen, autobiographisch grundierten Graphic Novels. Zum Beispiel schilderte er in «Kinderland» sein Aufwachsen in der DDR. So betrachtet ist Mawil meilenweit vom franko-belgischen Serienmainstream entfernt. Und doch hat es System, dass einer wie er einen «Lucky Luke»-Band zeichnen darf.
Lucky Luke ist mittlerweile 73-jährig und hat schon über 80 Abenteuer auf dem Buckel. Der Verlag sorgt sich um die Aktualität und die Attraktivität seines Goldesels. Dem Verstauben wirkt der Verlag entgegen, indem er die Figur einem jüngeren Autor und Zeichner für eine Hommage anvertraut.
Mawil ist der bereits dritte Autor und Zeichner einer solchen Lucky-Luke-Hommage; auch andere Figuren und Serien wie «Spirou» oder «Valerian und Véronique» haben diese Form der Auffrischung schon erlebt.
Ein schlechter Pferdezeichner
Der Auftrag an Autoren wie Mawil: Sich den Kosmos des Helden aneignen und die Figuren, die Klischees und Stereotypen der Serie gegen den Strich bürsten. Das ist Mawil hervorragend gelungen, indem er Lucky Luke aufs Fahrrad setzte. Die Gründe dafür: Mawil ist ein leidenschaftlicher Radfahrer, aber (nach eigenem Bekunden) ein schlechter Pferdezeichner (das stimmt!).
Auch visuell unterscheidet sich Mawils «Lucky Luke» dank seines krakeligen «Funnystils» unübersehbar vom klassischen «Lucky Luke»-Strich, mit dem viele von uns aufgewachsen sind.
Hauptsache diese Hommage-Bände überraschen, unterhalten – und sorgen für Aufmerksamkeit.
Frischzellenkur
Von solchen Hommage-Bänden erhoffen sich die Verlage dreierlei: Eine Frischzellenkur für die Figur, eine Ausweitung der Leserschaft und nicht zuletzt ein grosses Medienecho: In Deutschland ist «Lucky Luke sattelt um» ein Ereignis und medial sehr viel präsenter als der gefühlte 173. Band der regulären «Lucky Luke»-Reihe.
Zu Recht: «Lucky Luke sattelt um» ist ein grosser, immer wieder verblüffender Spass. Allein das Bild von Lucky Luke, der auf einem Velo durch die Prärie kurvt, ist amüsanter als alle Lucky-Luke-Bände der letzten zwanzig Jahre zusammen.
Und doch ist es keine Parodie, sondern ein echter «Lucky Luke», auch wenn die Zwiegespräche des Cowboys mit seinem neuen Fortbewegungsmittel nicht ganz so intim sind wie mit Jolly Jumper.
Genau, sein Pferd. Es ist nicht da und spielt doch eine wichtige Rolle. Aber zu viel soll hier nicht verraten werden. Nur noch das: Im letzten Bild reitet der «lonesome cowboy» in die Prärie zurück. Auf Jolly Jumper. Soviel Tradition muss sein.