Wie sieht James Bond eigentlich aus? Mangels Verfilmung gab es darauf Ende der 1950er-Jahre keine richtige Antwort.
1957 sollte sich das ändern. Vier Jahre nach der Veröffentlichung des ersten 007-Romans «Casino Royal» trat die englische Boulevard-Zeitung «Daily Express» an Autor Ian Fleming heran. Mit der Anfrage, ob er sich einen Comic-Strip über seine Figur vorstellen könne. Konnte er.
Im Juli 1958, fünf Jahre vor dem ersten Spielfilm, ging es los. Mit der gezeichneten Version von «Casino Royal». Die Bilder schwarz-weiss wie die Fronten im Kalten Krieg.
007, ein kalter Krieger
Der gezeichnete James Bond war, wie in der Buchvorlage, ein Produkt seiner Zeit, ein echter Kalter Krieger, ein Geheimagent des britischen MI 6, der für den Westen kämpfte. Das Böse, das waren die Kommunisten.
Die späten 1950er boten klare Feindbilder. In der Realität, in der Fiktion. Kapitalismus gegen Kommunismus. USA und die westeuropäischen Länder gegen die Sowjetunion und die Ostblockstaaten.
Im Kalten Krieg war Spionage ein wichtiges Instrument auf beiden Seiten. Insofern war ein Geheimagent ein naheliegender Held.
Die Story der ersten Comic Strips: 007 bekam den Auftrag, gegen den russischen Agenten LeChiffre vorzugehen, der eine französische Gewerkschaft unterwandert hatte.
Das Gesicht von James Bond
Aber wie sieht Bond nun aus? In den Büchern wird er als über eins achtzig und schlank beschrieben. Er wiegt über 70 Kilo. Auf der rechten Wange hat er eine lange, dünne Narbe . Die Augen sind blaugrau. Er hat kurzes, schwarzes Haar.
Ian Fleming hatte dem «Daily Express» eine Zeichnung geschickt, wie er sich 007 vorstellte. Zeichner John McLusky war das Gesicht nicht männlich genug. Er entwarf seine eigene Version.
Ein ungewohntes Lesegefühl
Die Geschichten des Comic-Strips heute zu lesen, ist etwas ungewohnt. Sie wurden früher in täglichen Häppchen veröffentlicht.
Der tägliche Strip bestand aus drei Bildern, in denen der Inhalt des vorherigen aufgenommen und weitererzählt wurde. Am Ende stand ein Cliffhanger, damit die Käufer tags darauf weiterlasen. Diese Struktur bleibt spürbar, selbst wenn man die Geschichten in einem Durchgang liest, was manchmal irritiert.
Ein anderer Bond
Wer 007 nur als Superagenten aus dem Kino kennt, lernt in den Comic-Strips einen anderen James Bond kennen. Er ist dichter dran ist an der Romanvorlage: ein Kerl, der ohne Gadgets mit seinen Gegnern klar kommen muss.
007 ist auch nur ein Mensch
Der gezeichnete Agent war menschlicher und verletzlicher als der spätere Held im Kino. Er rauchte, trank zu viel und wachte auch mal verkatert auf. Damit erinnert er an Daniel Craigs Bond-Version in «Casino Royal», dem ersten Auftritt des Schauspielers als 007.
Seine Abenteuer überstand der Bond im Comic-Strip oft nur angeschlagen. 007 wurde von Messern getroffen, vergiftet, gefoltert und bekam eine Gehirnwäsche. Ein Gegner ritzte sogar den Namen des russischen Geheimdienstes in seinen Handrücken, damit er in Zukunft erkannt wurde.
Das steht im Gegensatz zum nahezu unverwundbaren Superagenten, wie ihn insbesondere Roger Moore und Pierce Brosnan im Kino geprägt haben, bei dem nach dem schlimmsten Gefecht höchsten mal die Bügelfalte der Anzughose nicht mehr so perfekt sass.
In den 1950ern setzte sich der Comic-Strip aus heutiger Sicht in zwei Dingen wohltuend von der Romanvorlage ab. Da er jugendfrei sein musste, wurden sexuelle Andeutungen reduziert und damit auch die Frauenfeindlichkeit und der Chauvinismus. Und auch die Homophobie, die in den Werken auftaucht, gibt es nicht.
Gerade die frühen Strips waren sehr erfolgreich und machten die Agentenfigur auch bei denen bekannt, die die fünf Romane, die bis 1958 erschienen war, nicht gelesen hatten. Damit war James Bond in England in zwei Medien erfolgreich, noch bevor 1962 mit dem Kinofilm «Dr. No» der weltweite 007-Hype begann.