Zwei begegnen sich zufällig. Plötzlich funkt etwas, kommt ein Rädchen ins Schwingen, setzt sich etwas in Bewegung. Sie beginnen miteinander zu reden, zu lachen, können aber auch gut zusammen schweigen. Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, um den berühmten Schlusssatz aus «Casablanca» zu zitieren.
Eine Begegnung unter Sternen
Was Freundschaft alles sein kann, darüber hat die Autorin Heike Faller, Redaktorin beim «Zeit Magazin», gemeinsam mit dem Illustrator Valerio Vidali das Buch «Freunde. Was uns verbindet» verfasst. «Irgendwann, in einer Galaxie namens Milchstrasse, unter all den Sternen», steht darin, «zwischen all den Menschen, haben du und ich uns irgendwie getroffen.»
Die Teile dieses Satzes sind mit doppelseitigen Bildern illustriert: Man sieht eine Galaxie im All, dann in die Galaxie hineingezoomt die vielen Sterne als Punkte, wieder weitergeblättert die vielen Menschen als Punkte, diesmal jedoch farbig auf weissem Grund. Endlich dann sehen wir zwei Menschen, Seite an Seite, in ein Gespräch vertieft.
Dass die Geschichte im All beginnen musste, war für die Autorin klar: «Ich wollte den Fokus am Anfang ganz weit aufmachen, um die Verlorenheit des Menschen zu zeigen», sagt Heike Faller. «Das Einzige, was gegen diese Verlorenheit hilft, sind menschliche Beziehungen.» Beziehungen wie Freundschaft eine ist.
Gemeinsam durch Hochs und Tiefs
«Irgendwie» hätten sich die beiden getroffen, schreibt die Autorin im Buch. Zuerst geht es genau um dieses «irgendwie»: Die Autorin bietet nur einzelne Stichworte, wie «um fünf Uhr morgens», «ganz oben», oder «ganz unten».
Illustrator Valerio Vidali interpretiert die Stichworte und setzt sie in einen konkreten Zusammenhang. So sehen wir Freundespaare frühmorgens beim Angeln, ganz oben auf der Bergspitze oder im emotionalen Tief. Ähnlich gearbeitet hat das Duo bereits bei seinem Erstling, «Hundert. Was du im Leben lernen wirst», einer Geschichte von der Geburt bis zum Tod.
Reden, schwimmen – und sich auf die Nerven gehen
Jedes der porträtierten Freundschaftspaare ist anders: Mal sind es zwei Frauen, dann zwei Männer, mal sind es eine Frau und ein Mann, mal alt, mal jung, mal ganz divers.
Bald schon geht es in Bild und Worten ums Kennenlernen. «Wir haben die ganze Nacht geredet», sagen zwei Frauen im Ferienlager. «Wir hatten endlos viel Zeit», erinnern sich Kinder im Schulbus.
Das Buch ist eine lange Erzählung entlang der verschiedenen Stationen von Freundschaften, bei denen man mal um Mitternacht schwimmen geht oder gemeinsam allen auf die Nerven.
Der Weg zwischen zwei Freundschaften
Die Idee zu diesem Buch hatte Heike Faller, als sie am Geburtstagsfest eines Freundes war, den sie noch gar nicht lange kannte: «Der Geburtstag fand auf einem Schiff statt, und da waren Freunde aus unterschiedlichen Lebenssituationen des Geburtstagskindes. Irgendwann bin ich nach Hause gegangen. Und dort hat eine alte Freundin auf mich gewartet, die bei mir übernachten wollte. Auf dem Weg zwischen diesen beiden Freundschaften habe ich angefangen, über Freundschaft nachzudenken.»
«Freunde. Was uns verbindet» zeigt auf, was man am Freund, an der Freundin mag – sei es, dass sie etwas ärgert, sei es, dass er die Pannen des Lebens gleich meistert.
«Ich liebe es, wie du andere Menschen betrachtest» – wie farbenfroh anders dies geschehen kann, erzählt das Bild: Die Menschen sind in der Wahrnehmung des Freundes zu Blumen geworden.
Wichtiger als Liebschaften
Es ist dieser zärtlich begeisterte Blick auf Freundschaften, der einen einnimmt. Dabei ist es eine Stärke, dass das Buch die unschönen, ja düsteren Seiten der Freundschaft nicht ausklammert – wie Entfremdung oder Gleichgültigkeit.
Heike Faller hat für ihren Text bei ihren Freundinnen und Freunden geforscht. Sie hat, ähnlich wie bei einer Stafette, Freundschaftsketten gebildet, bei denen eine Freundin einen weiteren Freund für ein Recherchegespräch vorschlug.
Bei all diesen Begegnungen hat sie etwas überrascht: «Viele sagten mir, dass für sie Freundschaftsbeziehungen eigentlich wichtiger sind als Liebesbeziehungen.» Eher würden sie an die Freundschaft glauben als an die Liebe.
«Freunde. Was uns verbindet» ist letztlich beides: Eine Liebeserklärung an die Freundschaft.