Worum geht's? Fast 50 Jahre nach dem Tod des chilenischen Dichters, Kommunisten und Literaturnobelpreisträgers soll nun Gewissheit her: Ist Pablo Neruda 1973 vergiftet worden? Zweifel an einer natürlichen Todesursache Nerudas hatte es seit jeher gegeben. Ein internationales Forscherteam hat nun einen Bericht vorgelegt, der die Zweifel an der offiziellen Todesursache Krebs nährt. Ein Gericht in Santiago de Chile prüft den Bericht derzeit.
Ein politischer Mord? 1971 hatte Pablo Neruda den Nobelpreis für Literatur erhalten. Er war einer der berühmtesten Dichter der Welt und eine Ikone der Linken. Nachdem Augusto Pinochet im September 1973 mit einem Militärputsch die Regierung von Salvador Allende gestürzt hatte, wollte Neruda ins Exil nach Mexiko gehen.
Dort hätte er wohl eine der lautesten Stimmen gegen die neue Militärjunta werden können, erklärt Nerudas Neffe Rodolfo Reyes gegenüber Nachrichtenagenturen: «Im Exil hätte er wie kein anderer die Kräfte gegen die Diktatur vereinen können.» Kurz vor seiner Ausreise, am 23. September 1973, starb Neruda plötzlich.
Ein Tod mit Ankündigung? Vor Neruda hatten bereits zwei weitere prägende Figuren der chilenischen Linken ihr Leben verloren, die auf demokratischem Wege eine sozialistische Gesellschaft in ihrem Land zu etablieren versuchten. Salvador Allende, bis zum Putsch Präsident des Landes, beging am 11. September 1973 Selbstmord. Der Sänger und Komponist Víctor Jara wurde von Pinochtes Schergen am 16. September 1973 ermordet. Zwölf Tage nach dem Staatsstreich starb Pablo Neruda, der mit dem Sozialisten Allende befreundet war, mit 69 Jahren.
Warum herrscht seit 50 Jahren Ungewissheit? Nerudas Familie hatte seinerzeit das offizielle Ergebnis der Autopsie hinnehmen müssen, jedoch stets Zweifel gehegt. Mutmassungen über Nerudas Ableben hatte auch sein ehemaliger Chauffeur Manuel Araya nach dem Ende der Diktatur 1990 geäussert. Der Dichter sei nicht an Krebs, sondern durch eine Giftspritze gestorben. Nach dem Ende der Diktatur wollte niemand Araya Glauben schenken.
Erst nach einer Justizreform 2011, die die Gräueltaten des Pinochet-Regimes untersuchte, wurde der Fall neu aufgerollt. 2013 ordnete ein Gericht an, Nerudas sterbliche Überreste zu exhumieren. Laboruntersuchungen blieben zunächst ohne Ergebnis. 2017 kam ein internationales Expertenteam zum Schluss, dass Neruda nicht an Krebs starb. In der Folge fand man ein tödliches Bakterium in Nerudas Leichnam.
Wie geht es weiter? Der neueste Bericht soll nun endgültig die genauen Umstände des Todes von Pablo Neruda aufklären. Das zuständige Gericht in Santiago de Chile wertet den Bericht des internationalen Gremiums derzeit aus. Bis das soweit ist, bleibt auch ein halbes Jahrhundert nach Nerudas Tod nur eines gewiss: die Zweifel an der offiziellen Todesursache.