Es fing mit einer Beschwerde von englischen Secondhand-Buchläden an: Dan Browns «Da Vinci Code» werde zu oft bei ihnen abgegeben. Das brachte den Künstler David Shrigley auf eine Idee: Er kaufte in verschiedenen Secondhand-Läden 6000 «Da Vinci Codes», machte neues Papier daraus und liess damit neue Ausgaben von George Orwells «1984» drucken.
Zu Besuch in der Secondhand-Buchhandlung
«Die Bestseller von heute sind das Altpapier von morgen», sagt auch Roberta Winterberg und zeigt auf einen Stapel mit aussortierten Büchern. Sie ist Geschäftsleiterin im «Bücherbergwerk Bern», einer Secondhand-Buchhandlung mit über 150’000 Titeln. Traurigerweise sei es an der Tagesordnung, dass Bücher im Altpapier landen.
«Wir behalten von jedem Titel je zwei Taschenbücher und zwei gebundene Ausgaben auf Lager», sagt Winterberg. Ihr ist wichtig: Die Bücher sind hier, um verkauft und gelesen zu werden. Früher war das anders und bis zu 200 Ausgaben desselben Werkes türmten sich im Bücherbergwerk.
Auch Thomas Pittori vom «Bücher-Brocky» in Basel kennt das zu gut. Der Filialleiter sieht sich mit Dutzenden Bananenschachteln, gefüllt mit auszusortierenden Büchern, konfrontiert. Auch hier möchte man ein möglichst breites Angebot und nicht Dutzende Ausgaben des gleichen Werkes horten.
Deshalb landen, nebst den Büchern in schlechtem Zustand, auch in Basel viele (ehemalige) Bestseller in gutem Zustand im Altpapier. «Trends vergehen. Das spüren wir sehr stark», sagt Pittori.
Gründe für die Bücherberge
Thomas Pittori sucht nach Erklärungen: «Das Internet hat Wörterbücher und Lexika für viele überflüssig gemacht. Diese Bücher landen dann bei uns.» Zudem seien die Bücher günstiger geworden, meint Winterberg. «Unsere Grosseltern mussten noch lange für ein Buch sparen. Heute können sich die meisten Menschen in der Schweiz massenweise Bücher leisten.»
Auch wenn sie bei ihrer Kundschaft die Liebe zum Buch spürt, hat sie das Gefühl, dass früher die Wertschätzung für Bücher höher war.
Welche Werke landen am häufigsten in den Brockis?
In den fünf Filialen des «Bücher-Brockys» und auch im «Bücherbergwerk Bern» zeigt sich ein ähnliches Bild wie in England. Am häufigsten abgegeben werden Krimis im Taschenbuchformat: Dan Brown, Donna Leon, Stieg Larsson, Hakan Nesser, Adler Olsen, Henning Mankell.
Doch nicht nur bei den Krimis gibt es ein Überangebot. Auch Werke des Brasilianers Paolo Coelho stapeln sich. In Bern und in Basel ist «Der Alchimist» der vermutlich am häufigsten entsorgte Roman. Auch Dutzende Liebesromane von Nora Roberts und Bestseller von Charlotte Link verenden hier regelmässig.
Es braucht mehr Bücher zum Behalten
Was es aber auch gibt: Bekannte Bücher, die fast nie im Brockenhaus landen. Winterberg und Pittori nennen die Harry-Potter-Bände als Beispiel. Obwohl fast alle die Bücher gelesen haben, möchte sich fast niemand von ihnen trennen. Eine ähnlich «nostalgische, emotionale Bindung» beobachtet Roberta Winterberg zu den Michael-Ende-Klassikern «Momo» und «Die unendliche Geschichte».
Winterberg und Pittori sind sich einig: Die Faszination für Bücher ist ungebrochen. Das spüren sie bei ihrer Arbeit jeden Tag. Winterberg wünscht sich eine sorgfältigere Auswahl der Lektüre. Sie empfiehlt Haruki Murakami: «Er schreibt Bücher zum Behalten.»