Eveline Hasler ist ein Phänomen: Ihre Romane über längst verstorbene und vergessene Schweizer Persönlichkeiten machten die heute 90-Jährige zu einer der meistgelesenen Autorinnen und Autoren des Landes.
Haslers Markenzeichen ist es, sich zwar auf historisch gesicherte Fakten zu beziehen, diese dann aber fiktiv auszuschmücken. Und zwar so, dass die Schilderung glaubwürdig bleibt.
Aus dem Archiv ins Buch
Es gehört zu ihren Verdiensten, historische Figuren für das breite Publikum zugänglich gemacht zu haben. Darunter ist etwa Anna Göldi, die im 18. Jahrhundert in Glarus als letztes Opfer des Hexenwahns auf dem Schafott starb.
Auch die Schweizer Kommunistin und Pionierin der sozialen Arbeit Mentona Moser gehört dazu. Moser, in der Schweiz geächtet, verbrachte ihren Lebensabend bis zum Tod 1971 in einem anonymen Altersheim in der DDR.
Eine spannende Figur ist auch Emilie Kempin-Spyri, von der Haslers Roman «Die Wachsflügelfrau» handelt: Sie war die Nichte der Heidi-Autorin Johanna Spyri, promovierte als erste Juristin in Europa, wurde dann jedoch von einer nicht enden wollenden Kette von Schicksalsschlägen getroffen. 1901 endete sie in der Basler Psychiatrie.
«Ich lebe jedes Mal mit meinen Figuren mit», erklärte Eveline Hasler vor ein paar Jahren in einem Interview. Die genaue Recherche sei ein zentraler Bestandteil ihres Schreibens.
Mit der «letzten Hexe» fing es an
Begonnen hat alles mit Anna Göldi, auch Anna Göldin genannt. Diese sei ihr seit der Kindheit in Glarus bekannt gewesen: «Ich habe aber nie etwas Genaues gehört. In Glarus wollte man nicht darüber reden», erinnert sich die Autorin. «Irgendwann wollte ich es genau wissen.»
So stieg die studierte Historikerin in die Archive und recherchierte das Los der armen Magd, die Opfer einer Intrige wurde, minutiös. Der Roman «Anna Göldin – letzte Hexe» erschien 1982. Rückblickend ist er geradezu programmatisch für Eveline Haslers späteres literarisches Schaffen.
Ein Herz für Randständige
Immer wieder hat sie sich Aussenseiterfiguren vorgenommen. Menschen mit besonderen Fähigkeiten, die sie vom Durchschnitt absetzten und sie in den Augen der Gesellschaft zur Bedrohung werden liessen.
Oft wählte Eveline Hasler Frauenfiguren, aber nicht nur. So widmet sich etwa einer ihrer Romane Henry Dunant, dem Begründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.
«Mich faszinieren Menschen, die etwas Besonderes geleistet haben», sagt die Schriftstellerin. Dabei zeigte sie nie Berührungsängste zur Geschichtswissenschaft, die in Sachen Faktentreue anderen Kriterien genügen muss als die Literatur.
Gelassene Geschichtenerzählerin
Die gelegentliche Kritik, es mit ihrer Fabulierlust etwas gar weit zu treiben, hat sie nie gekümmert, wenn sie in die Köpfe ihrer Figuren schlüpfte. Oder ihren Figuren ganze Dialoge in den Mund legte.
Hasler Gelassenheit nährt sich wohl von der Überzeugung, dass sich historische Stoffe kaum lebendiger erzählen lassen als in Geschichten von echten Figuren – von Menschen, die Gefühle zeigen, die lieben und leiden und dadurch echt wirken.
Das Publikum hat der Autorin ihre Art zu schreiben immer wieder gedankt und die Bücher regelmässig zu Bestsellern werden lassen.