Es war Mitte der 1980er-Jahre. Es herrschte Kalter Krieg. Und da erweckte ein Roman eines Autors tschechischer Herkunft die Aufmerksamkeit des Lesepublikums.
Und zwar weit über Literaturzirkel hinaus. «Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins» lautete der Titel des Buchs. Der Autor Milan Kundera war ein bis dahin Unbekannter – zumindest für Nichteingeweihte.
Aus Prag zum Weltruhm
Der Roman war Kunderas internationaler Durchbruch. Ein wunderbares Buch – voller philosophischer Gedanken, mit zeithistorischem Bezug, prickelnd erotisch. Die Geschichte des Prager Chirurgen Tomas, der Frauen zugleich begehrt und fürchtet, erreichte das Publikum.
Auch durch den Bezug zur Historie, zum Prager Frühling und zur kommunistischen Diktatur. Sie ist massgeblich daran beteiligt, dass der Held ein tragisches Schicksal erleidet und sein zwischenzeitliches Glück in der persönlichen Katastrophe endet. Zur Popularität des Romans trug vier Jahre später auch die Verfilmung des Buchs mit Daniel Day-Lewis in der Hauptrolle bei.
Vom Regime-Anhänger zum Kritiker
Kundera stammte aus einer Bildungsbürgerfamilie aus dem mährischen Brünn. In jungen Jahren war er ein begeisterter Gefolgsmann der Kommunisten in der Tschechoslowakei und trat der Partei bei. In dieser Zeit verfasste er auch Gedichte auf den Sowjetdiktator Josef Stalin. Dass er damals auch einen Bekannten an die Staatssicherheit verraten haben soll, wie später behauptet wurde, liess sich nie beweisen.
Mit zunehmendem Alter ging Kundera zum kommunistischen Regime auf Distanz. Im Roman «Der Scherz», der von der Literaturkritik als «einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts» gefeiert wurde, kritisierte er die Ungerechtigkeiten im kommunistischen Staat mit bitterbösem Humor.
Mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen und dem Ende des Prager Frühlings 1968 wurde der Bruch total: Das Ende jeder Presse- und Kulturfreiheit in der Tschechoslowakei verunmöglichten es Kundera, seine zunehmend regimekritischen Schriften zu veröffentlichen.
Flucht in den Westen
1975 bot sich ihm und seiner Ehefrau die Möglichkeit zur Ausreise nach Frankreich. 1978 liess er sich in Paris nieder. Ein Jahr später verlor er seine tschechoslowakische Staatsbürgerschaft – aufgrund seines Romans «Das Buch vom Lachen und Vergessen», einer scharfen Abrechnung mit der kommunistischen Tyrannei.
Erst 2019, genau vierzig Jahre später, wurde er wieder Bürger Tschechiens, auf Initiative des früheren Regierungschefs Andrej Babis. Er hatte den Autor in Paris besucht. Fortan war Kundera tschechisch-französischer Doppelbürger. Die innere Zerrissenheit als Dichter im Exil wurde zu einem zentralen Motiv in seinem weiteren literarischen Werk.
Auch interessierten ihn zunehmend die grossen Fragen von Identität, Geschichte, Unsterblichkeit und Liebe. Kundera begann seine Romane auf Französisch zu schreiben. Die tschechischen Charaktere und Schauplätze wurden seltener.
Doch politisch blieb Kundera der kritische Geist, zu dem er schon in seiner Heimat geworden war. In «Die Langsamkeit» von 1995 etwa unterzog er die westliche Zivilisation einer kritischen Prüfung und warnte vor zunehmender Technikgläubigkeit und Entmenschlichung.
Milan Kundera verabscheute jeden Rummel um seine Person. Er lebte zurückgezogen, gab kaum Interviews, und wenn doch, dann nur schriftlich. Nun ist Milan Kundera gestorben.