Wer kennt es nicht, das berühmte Liebeslied «Maria» aus Leonard Bernsteins Musical «West Side Story»? Eine Melodie zärtlich und heissblütig zugleich. Ein Text, der fast ausschliesslich auf den Namen der geliebten Maria gesungen wird.
Einmal gehört, ist dieser Song für immer in den Gehirnwindungen seines Publikums gespeichert. Leonard Bernstein – ein Verführer?
Musik für jedermann
Leonard Bernstein war es ein Anliegen, Musik als Ganzes zu begreifen. Er wuchs mit klassischer Musik auf, besuchte bereits als Kind Klavierunterricht. Doch Bernstein hatte auch immer ein Ohr für andere Musikstile. Und er hatte keine Hemmungen, diese in seine Kompositionen einzubauen.
Sein Ziel? Musik für ein grosses Publikum und nicht bloss die Elite, die sich zu seiner Zeit hauptsächlich mit Klassik abgab. Er tat dies nicht des Erfolgs willen, sondern weil Bernstein an Musik als solche glaubte.
Talentiert und undiszipliniert
Bernstein kam vor 100 Jahren, am 25. August 1918, als Sohn jüdischer Einwanderer im US-Bundesstaat Massachusetts zur Welt.
Um seine Wurzeln in der alten Welt, genauer der Ukraine, zu betonen, bestand Bernstein auf eine gemässigte Amerikanisierung seines Namens: «Börnstein» sollte man ihn aussprechen, nicht «Börnstiin».
Als Student an der renommierten Harvard-Universität baute Bernstein drei Eigenschaften aus, die ihn sein ganzes Leben prägen sollten, schreibt sein Biograph Sven Oliver Müller: «seine Neugier, seine Brillanz – und seine Undiszipliniertheit».
Statt nur dem konservativen Musikunterricht zu folgen, studierte er folglich Literatur und Philosophie. Er inszenierte Musiktheaterstücke, schrieb für Zeitungen.
Das pralle Leben in der Sinfonie
Auf Anregung des griechischen Dirigenten Dimitri Mitropoulos nahm Bernstein Dirigierunterricht. Er wurde zu einem der grössten Dirigenten des 20. Jahrhunderts.
Vor allem die Sinfonien Gustav Mahlers hatten es dem ausdrucksfreudigen Musiker angetan. In ihnen sah er das pralle Leben mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Seine expressiven Mahler-Aufnahmen gelten noch heute als wegweisend.
«Bernstein war kein Exzentriker, auch wenn es manchen so erschien», sagt Craig Urquhart, Bernsteins Assistent bis zu dessen Tod 1990. «Sein körperlicher Dirigierstil war einfach seine Art, mit dem Orchester zu kommunizieren. Den Sound herauszuholen, den er wollte.»
Urquhart setzt sich heute vor allem dafür ein, dass Bernstein auch als Komponist jenseits der «West Side Story» wahrgenommen wird.
So hat Bernstein unter anderem drei Sinfonien geschrieben, die wenig gespielt werden. Darunter eine über das Gedicht «Age of Anxiety» von W. H. Auden. Darin schildern vier junge Männer während des Zweiten Weltkriegs ihre Zukunftsängste und ihre Orientierungslosigkeit.
Musiker und Menschenfreund
Wie Bernstein die monumentale Sinfonie mit einem Choral der Hoffnung und Stärke ausklingen lässt, zeigt, welche lebensbejahende Kraft in dieser Jahrhundertfigur gesteckt hat.
Bernstein war ein umfassender Musiker und grosser Menschenfreund, wie es ihn seither in der Musikwelt kein zweites Mal gab.