Man könnte ihr Leben vom Schluss her erzählen. 1977 stirbt Maria Callas mit 53 Jahren in Paris. Angeblich an Herzversagen. Eine Frau, die die Welt gesehen hat. Und die von der Welt gesehen worden war. Und gehört. Auf allen grossen Bühnen, von der Mailänder Scala bis zur New Yorker Met. Callas wurde umgarnt und umschlichen, geliebt und gehasst.
Opern- und Jetsetleben
Die Opernbühne hatte sie zum letzten Mal 1965 betreten, als Tosca in der Titelrolle von Giacomo Puccinis Oper. Der Glanz ihrer Stimme war da schon dem Glamour des Jet-Set gewichen. Der steinreiche Reeder Aristoteles Onassis lädt die Primadonna 1959 auf seine Yacht ein, zusammen mit Winston Churchill. Die Presse lauert bei jeder Hafeneinfahrt am Quai.
Callas ist da längst eine öffentliche Figur. Ihre Garderobe, ihre Liebschaften und vor allem ihre angebliche Rivalität zur Sängerin Renata Tebaldi werden von den Medien beäugt. Tebaldi sei gutmütig und wohltätig, singe schön, sei zuverlässig. Callas dagegen habe eine Stimme, die nach Dürre und Trockenheit klinge. Sie sei karrieresüchtig und egozentrisch, eine «Höllenkatze». Und dass sie Auftritte absagt, verzeiht ihr die Presse ebenso wenig wie das Publikum.
Callas kämpft und verzaubert
1950 hat Callas als Einspringerin ausgerechnet für Tebaldi erstmals in der Scala gesungen. Erobern wird sie diese Bühne drei Jahre später als Medea in Cherubinis gleichnamiger Oper. Seither ficht sie Gladiatorenkämpfe aus. Insider bezeichnen die Scala noch heute als «Circus Maximus». Callas kämpft und verzaubert ihr Publikum. Meistens.
Wenn einmal ein Ton daneben geht, gibt es Zische und Buhrufe von den Kundigen. Die anderen applaudieren weiter. Wenn sie als tragische Heldin der Opernbühne beide überzeugt, kann der Applaus lange währen. In Mailand schrieb sie so Geschichte: 24 Minuten bei Donizettis «Anna Bolena».
Aus der dritten Klasse in die Ruhmeshallen
Callas’ Anfänge sind entbehrungsreich. Sie reist dritter Klasse mit dem Dampfer aus New York nach Italien. Niemand kennt sie, niemand will sie. Sie geht nach Verona, wo sie einen Mann kennenlernt, fast 30 Jahre älter, der ihr die Türen zur Opernwelt öffnen wird. Battista Meneghini, ein Industrieller, profitiert von den zunehmend steigenden Gagen seiner Frau, seiner «Investition».
Die Liebe zwischen den beiden dagegen erkaltet bald. Callas singt für 50 Dollar Abendgage in Venedig. Etwas später für 800 in Mailand. Bald schon für 8000. Als sie die italienischen Häuser für sich eingenommen hat, spielt Geld bald keine Rolle mehr.
Was bleibt von Callas?
Was bleibt von der am 2. Dezember in Manhattan geborenen Tochter griechischer Einwanderer? Einem kurzsichtigen Mädchen mit Brillengläsern dick wie Flaschenböden. Einer jungen Frau mit eisernem Willen? Einer vom tiefen Kontra-Alt kommenden Sopranistin, die bis zu sechs Stunden pro Tag übte? Einer Übergestalt noch heute?
Callas ist ein Mythos, gewiss. Zu dem wird sie bereits zu Lebzeiten gemacht. Ihre nur etwa fünfzehn Jahre währende Karriere tut das ihre dazu. Das bleibt. Und es bleiben unzählige Aufnahmen. Ihre für immer eingefangene Stimme, die vor allem etwas konnte: uns den Himmel öffnen und in die tiefsten Abgründe verweisen. Oder wie es die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann formuliert hat, nachdem sie Callas hatte singen hören: «Maria Callas war der Hebel, der eine Welt umgedreht hat.»