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100 Jahre Pierre Boulez Opernhäuser wollte er in die Luft sprengen

Rebell, Erneuerer, Förderer: Der Komponist und Dirigent Pierre Boulez hat die Musikgeschichte im 20. Jahrhundert geprägt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte überall eine grosse Aufbruchsstimmung, auch in der Musik. Junge Komponisten brannten darauf, neue Klänge zu erfinden. Drei der wichtigsten Wortführer dieser jungen Wilden waren Luigi Nono, Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez.

Bald allerdings löste sich das Trio wieder auf. Nono wurde politisch, Stockhausen esoterisch und Boulez zur Institution: mächtig, eine Gallionsfigur. Und das deshalb, weil er mehrere Karrieren gleichzeitig machte.

Immer weiter, und immer wieder anders

Da war einmal der Rebell Pierre Boulez, aggressiv und polemisch. Er plädierte für eine radikale Erneuerung und stiess die arrivierte Musikwelt mit der Forderung vor den Kopf, die verstaubten Opernhäuser in die Luft zu sprengen.

Einsatz für die moderne Musik

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In den 1970er‐Jahren baute der 1925 geborene Franzose Pierre Boulez das musikalische Forschungsinstitut IRCAM auf, mit Schwerpunkt auf Live-Elektronik. 1976 gründet er das Ensemble InterContemporain, 1995 ist er beteiligt an der Entstehung der Pariser Cité de la Musique. 2004 gründet er die Lucerne Festival Academy.

Dann war da der Komponist Pierre Boulez, der nur nach vorne schaut und alle Traditionen ablehnte. Immer weiter wollte er. Erst war Fan von Igor Strawinsky und dessen rhythmischen Experimenten. Und pfiff dann ein Strawinsky-Konzert aus – um die Leute darauf zu bringen, dass es einen noch viel wichtigeren Komponisten gebe: Arnold Schönberg, den Erfinder der Zwölftontechnik.

Sich nebenbei das Dirigieren beibringen

Boulez schaffte es, Schönberg in Frankreich bekannt zu machen. Und dann sagte er: «Schönberg est mort.» Er entwickelte die sogenannte serielle Technik, die noch viel strenger ist als Schönbergs Methode: Sie legte nicht nur die Tonhöhen fest wie bei Schönberg, sondern auch die Klangfarben und die Tonlängen.

Dann liess er die serielle Technik hinter sich und machte das genaue Gegenteil, er baute den Zufall in seine Musik ein. Und ging schliesslich wieder weiter: Er entdeckte die elektronische Musik.

Karriere Nummer drei: der Dirigent Pierre Boulez. Weil er fand, dass seine Stücke schlecht dirigiert wurden, begann er selber damit. Und entwickelte sich nebenbei zu einem weltweit gefragten Dirigenten, etwa als Chef der New Yorker Philharmoniker.

Boulez, der Nachwuchs-Förderer

Karriere Nummer vier: der Kulturmanager Pierre Boulez. Georges Pompidou schenkte ihm in Paris ein Forschungsinstitut für elektronische Musik, das IRCAM. Unter Boulez wurde es zu einer der wichtigsten Forschungsstätten für moderne Musik.

Last but not least: Pierre Boulez, der Förderer. Jahrelang kümmerte er sich um die Nachhaltigkeit in der Lucerne Festival Academy. Im Rahmen des Lucerne Festivals konnten junge Instrumentalistinnen und Musiker die Moderne kennenlernen, und Komponisten ihre Ideen mit dem Orchester testen.

2016 ist Boulez verstorben, heute wäre er 100 geworden. Der Mann, der immer gewusst hat, dass er etwas wollte: «Im Allgemeinen bin ich ein milder Mann», sagte Boulez über sich selbst. «Aber ich bin sehr entschieden, wenn ich etwas machen oder verteidigen will, das mir wichtig scheint. Dann kann ich ziemlich hart sein.»

Dieser Artikel erschien in leicht anderer Form bereits im März 2015.

Radio SRF 2 Kultur, «Diskothek», 24.3.2025, 20 Uhr.

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