28. Januar 1985: Aufgereiht nebeneinander und auf Augenhöhe sangen die grössten Popstars der USA der 1980er-Jahre den Refrain: «We Are the World. We Are the Children.» Das Video dazu ging um die Welt. Chartplatzierungen in vielen Ländern folgten. Es wurde Geld gesammelt für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien.
Dass ein Popsong zu Wohltätigkeitszwecken eingesetzt wurde, war damals ein Novum. Dr. Christoph Jacke, Professor für Popmusik und Medien der Universität Paderborn sprach im Interview davon, dass die 1980er-Jahre eine wichtige Zeit war für die Superstars der Popmusik. «Es war nicht mehr nur Rebellion, sondern etablierte sich in der Gesellschaft.»
Taten sprechen lassen
Die Verbreitung des Satellitenfernsehens in den 1970er- und 1980er-Jahren ermöglichten es, Bilder aus der ganzen Welt in Echtzeit in die Wohnzimmer zu senden, so auch von der Hungersnot in Äthiopien 1984.
Aus dem wachsenden Bewusstsein für die Krisen der Welt erwuchs der Drang, Taten sprechen zu lassen: Im November 1984 initiieren die beiden Musiker Bob Geldof und Midge Ure das Wohltätigkeitsprojekt «Band Aid» in Grossbritannien. In Windeseile wurde der Song «Do They Know It’s Christmas?» aufgenommen.
«We have white folks saving black folks. We don’t have black folks saving black folks.» hiess es dazu von Harry Belafonte: Denn «Band Aid» habe vorwiegend weisse Musikschaffende aktiv werden lassen. Harry Belafonte wollte das Gleiche in den USA umsetzten, aber mit diverserer Besetzung.
In nur einer Nacht
Mit Lionel Richie und Michael Jackson als Songwriter und Quincy Jones als Produzenten an Bord wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, möglichst viele namhafte Sängerinnen und Sänger ins Studio zu bekommen. Die Idee, die Nacht der «American Music Awards» 1985 zu nutzen, da unzählige Popstars in Los Angeles zusammenkamen, war bahnbrechend.
Nach der Award Zeremonie versammelten sich die Acts also im Studio – und hatten genau eine Nacht, den Song fertigzustellen. Gemeinsam waren sie «USA for Africa». Wobei das «USA» im Bandnamen für «United Support of Artists» steht.
Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung sendeten am 5. April 1985 tausende Radiostationen und Fernsehsender weltweit den Song und das Video dazu zur gleichen Zeit. Insgesamt wurden bis heute über 80 Millionen US-Dollar durch Plattenverkäufe, Streams, Spenden und Fanartikel gesammelt. Es wurde eigens eine Stiftung gegründet, die das Geld langfristig für Hilfsprojekte einsetzt.
Einseitiges Afrika-Bild?
Doch auch kritische Stimmen regten sich immer wieder. «Band Aid» und «USA for Africa» wurde vorgeworfen, ein einseitiges Bild von Afrika zu zeichnen. Das würde schon beim Namen «USA for Africa» anfangen. Wieso würde Afrika als Kontinent adressiert, wenn die Hilfe doch besonders an Äthiopien gerichtet sei? Heute wäre es undenkbar, einen Song mit dem Titel «We Are The World» aufzunehmen, ohne Musikschaffende aus aller Welt zu beteiligen.
Es gibt viele mögliche Gründe, weswegen bis heute kein vergleichbares Wohltätigkeitsprojekt mit Beteiligung so vieler Popstars mehr zustande kam. Man reagiert durch die sozialen Medien fragmentierter auf Krisen, auch die grossen Teams, die hinter den Musikproduktionen der Popstars steckten, würden ein solches Projekt erschweren, auch wenn es heute technologisch einfacher umzusetzen wäre.