- Claudio Monteverdi wurde vor 450 Jahren in Cremona geboren – bis heute ist er einer der einflussreichsten Komponisten.
- Im 17. Jahrhundert hat Monteverdi die Musik revolutioniert: weg von Harmonie und Regeltreue, hin zu Ausdruck und Emotion.
- Seine Werke rührten selbst die zurückhaltende höfische Gesellschaft zu Tränen.
«Lasciatemi morire» – «Lasst mich sterben», singt Arianna, krank vor Liebeskummer. Die Melodie, mit der sie dies singt, ist eigentlich keine – sondern ein gesungener Schrei des Schmerzes.
Begleitet wird Arianna von einem Bassinstrument, und die Dissonanzen, die sich aus diesem Zusammenspiel ergeben, müssen dem Publikum zu Anfang des 17. Jahrhunderts wie Messerstiche vorkommen sein: scharf – und ungehörig.
Ja, regelwidrig ist das, was Claudio Monteverdi 1608 in seinem «Lamento d'Arianna» komponiert. Denn er will nicht die Beherrschung der damals geltenden Kompositionsregeln zur Meisterschaft führen – sondern die Menschen in ihren Herzen bewegen.
Seine Musik rührt zu Tränen
Das kann er wie kaum ein anderer Komponist seiner Zeit. Seine Werke werden bei Hofe aufgeführt, also in einer Gesellschaft, in der es sich nicht schickt, übermässig Gefühle zu zeigen. Und dennoch wird immer wieder berichtet, wie die Damen bei seiner Musik zu weinen beginnen – Nachrichten, die Claudio Monteverdi mit Stolz erfüllen.
Beherrschtes Handwerk
Monteverdi wächst in Cremona auf, einer Stadt, die schon damals für seine hervorragenden Geigenbauer bekannt ist. Sein Vater ist Wundarzt, seine Mutter stirbt, als er acht Jahre alt ist. Monteverdis Vater unterstützt die Begabung seines Sohnes, lässt ihn beim örtlichen Domkapellmeister lernen.
Bereits mit 15 Jahren veröffentlicht Claudio Monteverdi sein erstes Madrigalbuch: Eine Sammlung an Gesängen für fünf Stimmen, aus jenem Genre, in dem an der Wende von der Renaissance zum Barock die Komponisten ihr Können präsentieren. Neun solcher Madrigalbücher wird Monteverdi bis zu seinem Lebensende veröffentlichen – und sie zeigen seine enorme Entwicklung auf.
Monteverdi setzt eine Revolution in Gang
In seinem fünften Madrigalbuch bringt er sein musikalisches Credo auf den Punkt: Anders als die Madrigale seiner berühmten Vorgänger Giovanni Pierluigi da Palestrina oder Orlando di Lasso, soll seine Musik nicht mehr zu ihrem Selbstzweck harmonisch erklingen – sondern sich ganz in den Dienst des Textes stellen. Und zwar nicht nur in Bezug auf das Versmass, sondern in Bezug auf die Bedeutung des einzelnen Worts.
Wenn die Dichter seiner Zeit von Liebessüsse schreiben, dann tanzen bei Monteverdi die Noten. Und wenn sie klagen, weinen, schreien, trauern, dann dehnt Monteverdi die Zeit, gibt dem Schmerz mit scharfen, direkten Dissonanzen Raum, lässt seine Sänger mehr rufen als singen, und führt sie beim Tod in die tiefsten Register der menschlichen Stimme.
«Prima Pratica» nennt er im Vorwort das Komponieren der älteren Kollegen; «Seconda Pratica» die neue Form – zwei Begriffe, die Geschichte machen.
Die Oper belebt
Sein Credo des sprechenden Singens verhilft schliesslich auch der jungen Gattung Oper zu Lebenskraft: Sein «L'Orfeo» ist zwar nicht die erste, aber die folgenreichste Oper seiner Zeit. Monteverdi komponiert sie für den kunstliebenden Herzog von Gonzaga, am Hofe von Mantua, wo er während 22 Jahren angestellt ist. Auch sein berühmtestes Sakralwerk, die Marienvesper, entsteht hier.
Höchstes musikalisches Amt seiner Zeit
Mit 46 Jahren nimmt Monteverdi noch einmal eine ganz neue Herausforderung an: Er wird Domkapellmeister in Venedig, an der grossen Basilika di San Marco – eines der bedeutendsten musikalischen Ämter seiner Zeit.
Und Venedig ist für Monteverdi jener Ort, an dem er die berühmte venezianische Mehrchörigkeit – also das Komponieren für mehrere Gesangs- und Instrumentalensemble, die auf den verschiedenen Emporen der Kirche platziert sind – weiterentwickeln kann.
Mit den Engeln musizieren
Im hohen Alter von 76 Jahren stirbt Claudio Monteverdi im November 1643; sein Tod löst in Venedig grosse Trauer aus. Und bei seinen Weggefährten auch die Frage: Wie können wir den grössten Musiker unserer Zeit ehrenvoll verabschieden?
Sie werden sich nicht einig. Es gibt schliesslich zwei grosse Trauerfeiern – pompöse Chorwerke und Lichtermeer mit Kerzen und Fackeln inklusive. Zwanzig Dichter seiner Zeit tragen ihre Würdigungen in einem Buch zusammen, zwanzig Lobpreisungen zu Ehren Monteverdis. «Apoll» und «Orpheus des Jahrhunderts» nennen sie ihn, einen, der die Musik auf Erden beherrschte – und nun gegangen sei, um im Himmel mit den Engeln für die Götter zu musizieren.