Als Herbert Pixner auf einem Südtiroler Bauernhof aufwächst, malt er sich seine Zukunft so aus: Geld verdienen als Skifahrer, nebenbei die «Sau rauslassen» als Schlagzeuger.
Aber alles kommt anders. Weil die Musikkapelle im Dorf zu wenig Klarinettenspieler hat, muss er einspringen. Auch wenn die Klarinette nicht seine erste Wahl ist, mangelt es dem kleinen Herbert weder an Willen, noch an Talent. Anstatt brav den Noten zu folgen, erfindet er lieber eine dritte Stimme und spielt munter drauf los.
Der Vater verkauft zwei Kühe
Als Teenager entdeckt Herbert Pixner nicht nur AC/DC und frisierte Motorräder für sich, sondern auch «sein» Instrument: die steirische Harmonika. Während eines Volksmusikseminars begeistert er sich für diesen Verwandten des Akkordeons mit den vielen Knöpfen und dem zart bemalten Holz.
Um seinem Sohn ein eigenes Instrument zu schenken, verkauft Pixners Vater zwei Kühe im Stall. Herbert legt sich ins Zeug, um sich das komplizierte Instrument selbst beizubringen: «Als 16- bis 20-Jähriger war ich ‹harmonikakrank›. Ich habe jede freie Minute gespielt.»
Rebellisch gegen die Volksmusik-Veteranen
Sein späteres Studium der steirischen Harmonika am Kärntner Konservatorium hängt Herbert Pixner an den Nagel. Schon längst hat er sich als virtuoser Spieler in der Tiroler Volksmusikszene einen Namen gemacht.
Einigen sind seine selbst komponierten Stücke allerdings zu virtuos: Bei den sperrigen Rhythmen, den wilden Läufen und den Moll-Tönen runzeln alteingesessene Volksmusikanten die Stirn.
Doch genau diese Experimentierfreude bringt Herbert Pixner bald den Ruf eines «Jimi Hendrix der steirischen Harmonika» ein. Auf Youtube spielt heute eine jüngere Generation Stücke wie seinen «Blondinenwalzer» nach und erklärt in Tutorials die Pixner-Technik.
Freiheit im Quartett
Mit dem Herbert Pixner Projekt hat der Musiker vor zwölf Jahren die Formation gefunden, mit der er sich in allen Genres austoben kann. Das Quartett vervollständigt seine Schwester Heidi Pixner an der Harfe, der Tiroler Bassist Werner Unterlechner und der italienische Gitarrist Manuel Randi.
Und Pixner, der Frontman? Der 42-Jährige, der immer mit Hut auftritt – als sei er mit der Welt und sich im Reinen? Dieser begnügt sich nicht mit wilden Improvisationen auf der steirischen Harmonika. Zwischendurch trommelt er auf ihr wie auf einer Cajon, einer hölzernen Perkussionskiste. Dann greift er zur Trompete oder zum Flügelhorn, um tiefenentspannt eine melancholische Melodie zu blasen. Das generiere beim Publikum «Bilder im Kopf».
Mehr Welt und weniger Heimat
Mit seinen Zwischenmoderationen unterstützt Herbert Pixner diese Bilder zusätzlich: Charmant erzählt er Geschichten vom Sennentuntschi oder vom Sonnenaufgang in den Bergen. Die Musik, die darauf folgt, erinnert aber nicht an ein idyllisches Alpen-Disneyland: Dafür ist sie zu sehr von der Ferne getränkt.
Walzer, Ländler und alpenländische Volksmelodien sind nämlich nur die Startbahn, von der aus das Herbert Pixner Projekt in Richtung Blues, Rock und Flamenco fliegt. Auch Popsongs wie «Dirty Diana» von Michael Jackson spielt das Quartett – ein Song übrigens, den Pixner nicht weniger als Volksmusik bezeichnen würde als den «Schneewalzer».
Gefeiert wie ein Popstar
Das Herbert Pixner Projekt spielt erdig und schwungvoll wie eine Volksmusikgruppe und wirkt gleichzeitig leicht und elegant wie eine Jazzband. Obwohl dieser Sound das Quartett in die Elbphilharmonie, ins Wiener Konzerthaus oder ins Nürnberger Opernhaus bringt, bleibt Herbert Pixner am Boden und nennt sich bescheiden «Unterhaltungsmusikant».
Ein Unterhaltungsmusikant, der live zur Höchstform aufläuft. Das hat sich herumgesprochen: Fast jedes der über 150 Konzerte im Jahr ist ausverkauft, Fans feiern den Südtiroler wie einen Popstar. Aber eine routinierte Show nach Schema X – das ist Herbert Pixners Albtraum oder wie er selbst sagt: «Erfolg ist, wenn unser Quartett wieder völlig neu improvisiert hat.»