Zwischen Hobelspänen und komplizierten Zeichnungen werkeln drei junge Menschen hoch konzentriert an ihrer allerersten Geige. Grosse Fenster locken das Licht hinein in die Werkstatt und den Blick hinaus auf den türkisblauen Brienzersee.
Hier im Atelier der Schweizer Geigenbauschule in Brienz beginnen jedes Jahr zwei bis drei Lernende ihre Ausbildung zur «Geigenbauer/in EFZ». Es ist die einzige Berufsschule für Geigenbau in der Schweiz.
Intellektuelles Handwerk
Quirin Gloor hat schon ein Diplom in Philosophie und Politikwissenschaft in der Tasche. Das Studium war dem 23-Jährigen aber zu kopflastig. Darum hat er vor zwei Monaten die Lehre zum Geigenbauer angefangen. Im Geigenbau braucht es sowohl einen klaren Kopf als auch ein geschicktes Händchen. Gloor nennt es ein «intellektuelles Handwerk».
In der Lehre verarbeitet er hochwertige Hölzer: Fichte, Ahorn und Ebenholz. Mit Grundlagen der Chemie lernt Gloor, Lack und Leim aus natürlichen Materialien selbst herzustellen. Die Geschichte der Streichinstrumente und wöchentlicher Geigenunterricht stehen ebenso auf dem Stundenplan. Neben Geigen werden an der Geigenbauschule in Brienz auch Bratschen und Celli gebaut.
Hauptsache Handwerk
Auch Adrian Löffel arbeitet gerne mit den Händen. Früher waren die noch ölverschmiert, denn er hat zuerst Lastwagenmechaniker gelernt.
In seiner Freizeit spielt der 20-Jährige gerne Bass und Gitarre. Die scheinbar gegensätzlichen Leidenschaften, Musizieren und Handwerk, wollte er verbinden und ist so an der Geigenbauschule gelandet.
Sein handwerkliches Geschick und seine Musikalität konnte Adrian Löffel in der Aufnahmeprüfung unter Beweis stellen. Auch das Gehör und sein räumliches Vorstellungsvermögen wurden getestet. Nur drei von 13 Bewerbenden erhielten dieses Jahr einen Ausbildungsplatz.
Ca. 150 Stunden dauert es, bis ein ausgelernter Geigenbauer eine Geige gebaut hat. Das braucht viel Geduld. Kein Problem für Löffel: «Ich war schon immer geduldig. Eile bringt nicht viel, damit kommt man auch nicht vorwärts».
Gute Berufsaussichten
Zippora Jelinek hat direkt nach der Matura die vierjährige Lehre zur Geigenbauerin begonnen. Sie ist 19 Jahre alt, spielt Cello und wollte schon immer eine «Bastlerin» werden.
Wie stellt sie sich ihren zukünftigen Berufsalltag vor? «Ich möchte in einer Werkstatt meine Geigen bauen», meint Jelinek, «was mich auch sehr interessiert, sind Restaurationen von alten Instrumenten. Dort hat man immer wieder neue Probleme, für die man jeweils eine individuelle Lösung finden muss.»
Geigenbauerinnen und -bauer haben genug Arbeit: 14’000 Menschen spielen an Schweizer Musikschulen ein Streichinstrument. Hinzu kommen hunderte Amateur-Orchester. Da gibt es immer etwas zu reparieren.
Auch neue Instrumente sind gefragt. In einem der rund 100 Geigenbauateliers in der Schweiz finden ausgelernte Geigenbauer eine Stelle oder eröffnen ihr eigenes Atelier. Bis es für Jelinek, Löffel und Gloor so weit ist, fliegen in Brienz fleissig die Späne.