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Basler Ensemble landet Coup Das neue Album von Thélème klingt tierisch gut – auch dank Sting

Von Renaissance-Liedern über John Cage bis zum Sting-Hit: Das neue Album des Ensemble Thélème ist ein ungewöhnlicher Mix, der gut funktioniert.

Das Album «All we get is life» beginnt zart und intim: Jean-Christophe Groffe singt butterweich. Sanft trommelt Ziv Braha dazu auf seiner Laute herum. Es ist eins der 90 «Solos for voice» von John Cage, einem der wichtigsten Avantgardisten des 20. Jahrhunderts, mit dem das Ensemble sein Album eröffnet.

Ihre Lieder sind musikalische Konzentrate

Eigentlich ist das Basler Ensemble Thélème auf Musik aus der Renaissance spezialisiert. Auch die ist auf dem Album zu finden: Die Musiker haben eine Reihe von Lautenliedern des Engländers John Dowland aufgenommen. Die Laute war in der Renaissance sehr populär und Dowland nicht nur ein bedeutender Liedkomponist, sondern auch ein Star auf diesem Instrument.

John Dowland und John Cage: Diese Kombination mag im ersten Moment überraschen. Schliesslich liegen zwischen den beiden Johns 400 Jahre Musikgeschichte. Die überbrückt das Ensemble Thélème gekonnt. Sein Album zeigt, dass es zwischen den beiden Komponisten und ihren Liedern einige Gemeinsamkeiten gibt.

Ein gewisser Minimalismus, zum Beispiel: Die Lieder von Dowland und Cage sind musikalische Konzentrate. Da ist keine Note zu viel. So wirken die von Melancholie durchtränkten Dowland-Songs besonders stark. Und John Cage lässt in «She Is Asleep» sogar den Text fallen: Der Sänger singt das ganze Lied über auf «u». Dabei kommt er kaum über ein piano hinaus. Musikalische Intimität vom Feinsten.

Die beherrscht auch John Dowland. Er schrieb seine Lieder nicht für den Konzertsaal, sondern fürs Musizieren im kleinen Kreis, rund um einen Tisch. In den Noten hat er die Stimmen so angeordnet, dass sie jeweils von verschiedenen Seiten des Tisches aus gelesen werden können.

Kreative Ideen: Mikros aus der Popmusik und Autotune

Hört man dem Ensemble Thélème zu, hat man den Eindruck, mit ihnen am Tisch zu sitzen. Das liegt auch daran, dass die Stimmen von Jean-Christophe Groffe und Ivo Haun dank der Aufnahmetechnik überraschend nah klingen. Die Musiker haben Mikros benutzt, die sonst eher in der Popmusik zum Einsatz kommen. Sie sitzen nah am Mund, beziehungsweise an den Instrumenten. Der Klang, der so entsteht, hätte vermutlich sowohl Dowland als auch Cage gefallen.

Das Ensemble musiziert ausdrucksvoll und mit grosser Sensibilität. Sie treten frei und kreativ an die Stücke heran: In einem der Cage-Songs setzen sie Autotune ein, die automatische Tonhöhenkorrektur, die man aus dem Pop und Hiphop kennt. Cage sieht zwar den Einsatz von Elektronik in einigen seiner Lieder vor. Aber Autotune gab es zu seiner Zeit natürlich noch nicht. Funktionieren tut es trotzdem, und es katapultiert das Lied kurzerhand ins Heute.

Sting setzt dem Album das Sahnehäubchen auf

Am Schluss des Albums zieht das Ensemble Thélème noch einen Trumpf aus der Tasche: Sting. Auch das ist schlüssig, nicht zuletzt, weil Sting selbst ein Fan von Dowlands Musik ist: Er hat sogar ein Album mit dessen Lautenliedern herausgebracht.

Vier Männer mit bunten Masken.
Legende: Muss sich mit ihrem neuen Album nicht verstecken: das Ensemble Thélème Ensemble Thélème

Zusammen mit dem Ensemble singt er seinen Hit «Shape of My Heart», in einer neuen Version. Sie klingt mal nach Renaissance, mal nach Synthiepop – und natürlich nach Sting. Ein gelungener Mix und das Sahnehäubchen auf einem starken Album.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 23.12.2024, 7:06 Uhr

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