Zuerst guckt er noch recht freundlich mit seinen Kulleraugen: der knapp 14 Meter hohe Clownkopf, der über der Seebühne in Bregenz zu schweben scheint.
Doch er kann auch anders: Bald verfolgen seine Augen die Akteure auf der Bühne, bald überblickt er finster oder maliziös das Geschehen.
Zum Auftakt kein Happy End
Eigentlich ist er ein Gruselclown. Sein Kopf scheint mit groben Brettern gezimmert, die Farben in seinem Gesicht sind verblasst. Das lässt erahnen, dass es kein Happy End geben wird in der Oper «Rigoletto» von Giuseppe Verdi.
Der Clownkopf ist das zentrale Element der enorm aufwendigen Bühnenkonstruktion, die nun für zwei Jahre in Bregenz auf dem See stehen wird. Mit einem Kran wird der Kopf fast pausenlos und in alle Richtungen bewegt.
Zusammen mit den teils ebenfalls beweglichen Händen, die auf den kleineren Nebenbühnen aufgebaut sind, bekommt der Riesen-Clown eine erstaunlich lebendige Mimik und Gestik.
Vom Zirkusclown zum Totenkopf
Der Regisseur Philipp Stölzl hat bisher nicht nur Opern an bedeutenden Häusern inszeniert, sondern auch Filme und Musikvideos für Rockbands wie Rammstein. Er weiss, wie man spektakuläre Effekte erzielt.
«Rigoletto» versetzt er in eine Zirkuswelt. Die Figur Rigoletto ist bei ihm kein buckliger Hofnarr, sondern ein Clown. Der Hofstaat des Herzogs von Mantua wird zur Zirkustruppe, die so manches akrobatisches Kunststück vollführt und tollkühn an den Bühnenaufbauten herumspringt.
Da Rigoletto im Verlauf der Oper zum Todbringer wird – er initiiert aus Versehen die Ermordung seiner eigenen Tochter Gilda – verwandelt sich auch der riesige Clownkopf nach und nach in eine Totenkopf-Fratze. Für Spektakel ist in dieser Produktion reichlich gesorgt.
Patzer beim Abmischen
Akustisch bleiben allerdings momentan noch einige Wünsche offen. Bei der Premiere gab es ein paar technische Pannen wie etwa Rückkopplungen der Mikrofone.
Vor allem aber war der Gesamtklang meist nicht optimal abgemischt. Das Orchester war oft viel zu laut und dominant, sodass die Stimmen manchmal überdeckt wurden.
Das lag keineswegs an den Wiener Symphonikern oder am Dirigat von Enrique Mazzola, wird der Orchesterklang doch aus dem Festspielhaus zugeschaltet.
Es ist durchaus Differenzierung zu hören in der Interpretation von Mazzola, der sonst etwa im Opernhaus Zürich ein Stammgast am Dirigentenpult ist. Der Italiener führt schmissig durch das Werk, die Dramatik schallt mit aller Intensität in die Zuschauerränge.
Gilda stiehlt die Show
Die Hauptrollen sind mit passenden Stimmen besetzt: Stephen Costello gibt einen Duca mit verführerischem Schmelz – seine Spitzentöne geraten allerdings etwas gepresst.
Vladimir Stoyanovs Stimme gibt der Rolle des Rigoletto die nötige dunkle Färbung, mit dem Vibrato meint er es aber manchmal zu gut.
Überragend und das Glanzlicht dieser Produktion ist Mélissa Petit als Gilda. Auch sie ist wie Mazzola insbesondere, aber nicht nur, dem Zürcher Publikum längst bestens bekannt.
In hohen Lagen
Souverän legt sie ihre heikle Koloratur-Partie in allen Lebenslagen hin – sprichwörtlich. Denn sie hat einige Stunts zu bewältigen, klettert auf dem Bühnenbild umher und entschwebt während ihrer berührenden Arie «Caro nome» in einem Heliumballon bis auf etwa 15 Meter in den Himmel über dem Bodensee.
Als ob das noch nicht genug wäre, setzt sie sich singend auch noch auf die Kante des Ballonkorbs: stimmungsvoll und atemberaubend.