1969 ist er die grosse Hoffnung aller Jamaikaner: Desmond Dekker. Als er sich nach England aufmacht, um seinen Song «Israelites» live unter die Leute zu bringen, ist Bob Marley, die spätere Reggae-Ikone, noch am Aufwärmen. Und Jimmy Cliff, der andere Ska- und Reggae-Held in der Zeit, im Ausland und seit längerem ohne Hit.
«Israelites» – eine Sensation
Keine einzige Aufnahme aus Jamaika selber hat es bisher auch nur in die Nähe der Top-100-Marke in den USA gebracht. Dekkers «Israelites» aber schafft es 1969 in den USA bis auf Platz 9 und landet in Grossbritannien auf Platz 1: eine Sensation!
Desmond Dekker machte sich also eilig auf seine Tour durch England, die Erwartungen einer ganzen Nation im Gepäck. Seine Begleitband, die «Aces» – verantwortlich für den wunderbaren Harmonie-Gesang auf den meisten Dekker-Aufnahmen – kommt nicht mit.
Das Bühnentier und die Vögel
Zum Teil aus seltsamen Gründen. Der «Ace»-Sänger Winston Samuels zum Beispiel sagt ab, weil er sich als Rastafari «nicht in eiserne Vögel setzen» könne.
Aber Desmond Dekker war schon damals ein Bühnentier und rockt die Show auch ohne die Aces. «Israelites» wird bis Ende 1969 zwei Millionen Mal verkauft – und Jamaika hatte endlich seinen internationalen Erfolg.
Angesichts dieser Zahlen dürften sich zwei grosse Produzenten auf Jamaika in die Fäuste gebissen haben: Duke Reid von Treasure Island und Coxsone Dodd vom Studio One – beide hatten sie Dekker abblitzen lassen.
Worauf der junge Desmond zum relativ unbekannten Produzenten Leslie Kong vorsingen ging. Der erkannte Dekkers Potenzial als Sänger sofort – und er hatte überdies die Geduld, auf den ersten eigenen Song von Dekker zu warten.
Erste Erfolge
Der kam dann schliesslich mit «Honour Your Father and Mother». Damit landete Dekker, Waise seit 14, nicht nur seinen ersten Erfolg in Jamaika – er konnte Leslie Kong auch von seinem Song-Writing überzeugen. Und es war der Beginn einer fast zehnjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit.
Der erste Coup gelingt dem Duo Kong/Dekker im Juli 1967, als der Song «007/Shanty Town» direkt auf Platz 12 in den Englischen Charts landet. Dekker beschreibt darin die Studenten-Aufstände in West Kingston und trifft offenbar den Nerv der Zeit.
Eine erste hastige Tour durch England hilft beim Erfolg des Songs nach, und wieder zu Hause lassen Desmond Dekker und seine Aces einen Hit nach dem anderen vom Stapel. «Wise Man», «Fu Manchu», «Unity», lauter Klassiker aus der Zeit von Ska und frühem Reggae.
Erfolgreicher als Bob Marley
Desmond Dekker war jahrelang ein Star auf Jamaika. Seit «Israelites» gilt er als Türöffner für die Jamaikanische Musik auch ausserhalb. Manche sagen sogar, ohne Desmond Dekker hätte es keinen Bob Marley gegeben.
Das stimmt vielleicht dann doch nicht ganz. Ganz sicher aber war das Duo Leslie Kong / Desmond Dekker bis 1971 quasi unschlagbar. Niemand in Jamaika, nicht einmal Bob Marley, hat zu seinen Lebzeiten im Ausland so viele Platte verkauft wie Desmond Dekker.
Umso tragischer ist der frühe Tod von Leslie Kong: Er stirbt im Sommer 1971 an einem Herzinfarkt, mit 37. Desmond Dekker macht zwar noch jahrzehntelang weiter Musik, an seine goldenen Jahre mit Leslie Kong aber kann er nie mehr anknüpfen. Den Ehrenplatz in der ewigen Bestenliste jamaikanischer Musik aber nimmt ihm niemand mehr weg.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Jazz Collection, 11.07.2017, 21:00 Uhr