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Klänge der Freiheit: Das Folkfestival auf der Lenzburg
Aus Passage vom 20.01.2023. Bild: KEYSTONE/STR
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Das erste Openair der Schweiz Als Musikfestivals noch die Gesellschaft verändern wollten

Das erste Schweizer Openair fand auf der Lenzburg statt. Was heute zum Kommerz geworden ist, war damals eine Rebellion gegen das Schweizer Bürgertum.

Sommer, Sonne und Musik unter freiem Himmel: Im Sommer 1972 fand das erste Openair der Schweiz statt, das Folkfestival auf der Lenzburg. Hier trafen Schweizer Liedermacher, «Folkies» mit langen Haaren, Schlaghose und Gitarre und traditionelle Schweizer Volksmusiker in Tracht aufeinander. Ein kulturell und politisch bunt durchmischter Haufen mit einer grossen Leidenschaft: gemeinschaftlich musizieren.

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Folklore-Festival auf der Lenzburg
Aus Antenne vom 05.07.1973.
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Was als kleines, nicht-kommerzielles und hausgemachtem Musikfest begann, wurde innert kurzer Zeit zu einem grossen und wichtigen Event. International bekannte Folkmusikerinnen wie Shirley Collins, Martin Carthy und Roy Bailey aus England oder Planxty aus Irland nahmen daran teil. Auch Schweizer Musiker wie Dodo Hug, Albin Brun oder Corin Curschellas fanden damals ihre musikalische Identität auf der Lenzburg. 

Protest gegen das Schweizer Establishment

Gemeinsam musizieren, singen und tanzen: Was aus heutiger Perspektive etwas nostalgisch daherkommt, war vor 50 Jahren revolutionär. Ein Ausbruch aus der biederen, gutbürgerlichen Schweizer Gesellschaft der 1970er-Jahre, mit all ihren Regeln und moralischen Zwängen. Sozialkritische Lieder waren für die jungen Folkies eine gute Möglichkeit, sich politisch zu äussern.

Das digitale Archiv des Folkfestivals auf der Lenzburg

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Ehemalige Mitglieder des Folkfestivals auf der Lenzburg haben in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde der Universität Basel ein Online-Archiv veröffentlicht, mit Ton- und Bildaufnahmen aus den Jahren von 1972 bis 1980.

Über 130 Stunden Musik können hier angehört werden. Das Bildmaterial gewährt Einblicke in die musikalische Welt der 1970er.

Der Bau des Atomkraftwerks in Gösgen, die Autobahn in der Agglomeration Bern und Polizeigewalt gegen Schüler aus dem Jura, die für ihre politische Unabhängigkeit und für ihre Schulreform demonstrierten: Das waren einige der Themen, die die Folkmusiker auf der Lenzburg diskutierten.

Ausserdem war es dem Festivalkomitee der Lenzburg ein Anliegen, weibliche Singer-Songwriterinnen zu fördern und auch Musikgruppen der damaligen Gastarbeiter sicht- und hörbar zu machen.

Zwischen Ursprung und Innovation

Die bunte Mischung von Musikern des angloamerikanischen Folk, der traditionellen Schweizer Musik und Volksmusik aus anderen Ländern brachte interessante musikalische Entwicklungen hervor. Festival-Besucher, Performerinnen oder Folkies wie Albin Brun oder Corin Curschellas, die in Städten aufgewachsen waren, fanden auf der Lenzburg einen direkten Zugang zur ländlichen Volksmusik.

Vier Menschen stehen auf der Bühne und singen.
Legende: Auftritt der Schweizer «The String Band» im Rittersaal der Lenzburg im Jahr 1972. Peggy Moser

Sie liessen sich von dieser Musik inspirieren und mischten sie später mit moderner Jazz-Harmonik und mit Balkan-Rhythmen. Diese Elemente sind für die Entwicklung der Neuen Schweizer Volksmusik heute sehr wichtig.

Ein Stück Schweizer Musikgeschichte

Gleichzeitig gab es am Folkfestival eine Rückbesinnung auf die musikalischen Schweizer Wurzeln. Als 1976 die traditionelle Schweizer Liedersammlung «Im Röseligarte» neu aufgelegt wurde, störten sich viele Folkmusiker daran, dass hier nur nette und brave Lieder präsentiert wurden.

Mehrere Paare in Westernkluft tanzen im Schlosshof.
Legende: Mit Cowboyhut und Waschbärmütze: Im Schlosshof wird am Folkfestival das Tanzbein geschwungen. PeggyMoser

Der Liedermacher Urs Hostettler und Mitglieder des Festivalkomitees begannen deshalb nach «nicht schönen Liedern» zu forschen, die Trauer, Gewalt oder den Tod besangen, und veröffentlichten sie 1979 als «Anderi Lieder».

Das Folkfestival Lenzburg ist für die Schweizer Musikgeschichte von grosser Bedeutung: Es war nicht nur das erste Openair, sondern auch eine wichtige Plattform für politisches Engagement und treibender Motor für die Entwicklung der Neuen Schweizer Volksmusik.

Radio SRF 2 Kultur, Passage, 20.01.2023, 20:00 Uhr

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