Das Brill Building 1619 war ursprünglich einmal die Adresse für ehrwürdigen Swing. Im etwas behäbigen Gebäude am Broadway waren alt eingesessene Musikverlage eingemietet. Sie waren in der Tin Pan Alley zuhause und zogen bereits in den 1940er-Jahren weiter uptown.
Goodbye Swing, hello Rock 'n' Roll
Für Swing interessiert sich die Jugend der späten 1950er-Jahre nicht mehr. Man ist scharf auf den neuen Sound aus dem Untergrund: den Rock 'n' Roll, eine Spielform des afroamerikanischen Rhythm and Blues.
Diesem unanständigen Sound will allerdings keiner der angesehenen Verlage eine Plattform geben. Junge, kleine Labels und Musikverlage springen in die Nische. Sie übernehmen in spektakulärem Tempo den Markt.
Hits für die Ewigkeit
The Drifters, The Monkees, The Shirelles sind die Namen der jugendlichen Girl- und Boygroups, die den Brill Building Sound in die Welt tragen. Auch Solisten wie Bobby Darin, Neil Sedeka und Little Eva sind im Brill Building unter Vertrag.
Sie mögen heute in Vergessenheit geraten sein, ihre Hits sind es nicht: «On Broadway», «Stand By Me», «(You Make Me Feel Like) A Natural Woman», «Do The Loco-Motion» ist nur der Anfang der fast unendlich langen Liste von Hits, die das Brill Building produziert hat.
Teenies schreiben für Teenies
Zur Hitfabrik geworden ist das Brill Building aber dank der Songwriterinnen und Texter hinter den Kulissen. Das sind Studenten, Mädchen frisch von der Highschool und Schulabbrecher, die ihr Glück versucht und dem Brill Building ihre Songskizzen angeboten haben. Mit Erfolg.
Häufig sind Talente vom Fleck weg engagiert worden. Denn nur junge Leute wie sie kennen den Sound, nach dem sich ihre Altersgenossen verzehren: eine mildere Form des Rock 'n' Roll. Tanzbar, aber süffig. Und mit Texten, von den Freuden und Alltagsnöten der Teenager erzählen.
Wer gut schreibt, kriegt ein Büro mit Fenster
Barry Man & Cynthia Weil, Burt Bacharach & Hal David, Neil Sedeka & Howard Greenfield, Carole King & Gerry Goffin, Jerry Leiber & Mike Stoller, Jeff Barry & Ellie Greenwich, Doc Pomus & Mort Shuman heissen die wichtigsten Songwriter-Tandems der Brill Building Ära.
Sie arbeiten in Zweiterteams in kleinen Büros ohne Fenster. Durch die Lüftung hören sie sich gegenseitig beim Arbeiten zu. Dass man sich – unabsichtlich oder absichtlich – kopiert, gehört bei der Jagd um den nächsten Hit mit dazu.
Der Mann mit den goldenen Ohren
Kopf dieses fruchtbaren Konkurrenzkampfs im Brill Building ist Don Kirshner. Selber noch keine Dreissig, kann der Mann zwar weder singen noch ein Instrument spielen. Don Kirshner hat aber eine Gabe, die ihn reich werden lässt: Er spürt, wenn ein Song zum Hit taugt und gross rauskommen wird.
Für seinen Verlag Aldon Music schaft Don Kirshner die Teenage Songwriter um sich wie Kinder in einer kompetitiven Familie. «The Man With The Golden Ears» ist sein Spitzname, der Mann mit den goldenen Ohren.
Die meisten der Hits, die unter seiner Leitung im Brill Building entstanden sind zwischen 1958 und 1968, können wir auch jetzt noch problemlos mitpfeifen. An die Namen der jugendlichen Songwriter kann sich heute kaum mehr jemand erinnern.