Das Wichtigste in Kürze
- Vor 100 Jahren entstand in New York die erste Jazzaufnahme.
- Damals war Jazz ein neuer Stil, der sich aus vielen Einflüssen der multikulturellen Stadt New Orleans entwickelt hatte.
- Der Siegeszug des Jazz ebnete auch den Boden für die Popmusik.
Die erste Aufnahme
Am 26. Februar 1917 gingen fünf junge Musiker ins RCA-Aufnahmestudio in New York und bannten zwei Songs auf Wachsmatrizen: «Livery Stable Blues» und «Original Dixieland One Step».
«Original Dixieland Jass Band» nannte sich die Band, bis sie sich «Original Dixieland Jazz Band» nannte. Und es ist nicht untypisch für diese Zeit, dass es weisse, italienischstämmige Musiker waren, die den Jazz so in die Welt hinausschickten.
Denn damals war es undenkbar, mit schwarzen Musikern eine Platte aufzunehmen. Und die angelsächsische Mittel- und Oberschicht wusste noch gar nicht, dass es so etwas wie Jazz gab. Fast niemand wusste es. Wie auch?
Der Klang von New Orleans
Der Musikstil war so neu, dass er noch nicht einmal einen verbindlichen Namen hatte. Er stammte aus der Hafenstadt New Orleans – einem Sammelbecken von Menschen aus allen Gegenden der Welt.
Die schwarzen Musiker waren besonders gut darin, die vielfältigen Klänge der Stadt zu absorbieren. Und daraus etwas Eigenes zu schaffen.
1917, als die USA in den Ersten Weltkrieg eingriff und New Orleans zum Kriegshafen wurde, schloss die Militärverwaltung das Vergnügungsviertel Storyville.
Die plötzlich arbeitslos gewordenen Musiker zogen nach Norden, nach Chicago und New York, und verbreiteten die neue Musik in den USA. Das neue Medium Schallplatte tat sein Übriges dazu: Der Jazz begann die Welt zu erobern.
Von New York bis Zürich
Ein Jahr später erreichte der Jazz Europa. Der begeisterte Konzertbericht des jungen Schweizer Dirigenten Ernest Ansermet, in dem er den Klarinettisten Sidney Bechet in höchsten Tönen lobt, ist ein frühes Zeugnis dieser Ausbreitung.
Schon in den 1920er-Jahren wurde in Berlin, Paris und auch in Zürich Jazz gespielt. Oder zumindest das, was man für Jazz hielt.
Und drüben in New York verhalf die «Harlem Renaissance», die erste Bewegung schwarzer Künstler, aufstrebenden Musikern wie Duke Ellington zu frühem Erfolg. Spätestens in den 1930er-Jahren war der Jazz die Unterhaltungsmusik überhaupt.
Ein Enkel namens Hip Hop
1972, der Jazz näherte sich dem Pensionsalter, stellte der grosse Frank Zappa fest: «Jazz is not dead, it just smells funny». Vielleicht hatte er recht, damals.
Er übersah allerdings, dass der Jazz zu diesem Zeitpunkt schon musikalische Kinder gezeugt hatte, die die Hitparaden bestimmten: Blues und Soul, Rock'n' Roll und Funk. Überhaupt: Die ganze Popmusik war undenkbar ohne das Erbe des Jazz.
Kurze Zeit später begann sich mit dem Hip Hop eine neue Kultur Bahn zu brechen: «Great Black Music», die zwar anders klang als der Free-Jazz kurz zuvor, die aber gesellschaftlich auch daran anknüpfte.
Potpourri für jede Zeit
100 Jahre nach seiner «Erfindung» riecht der Jazz nicht «funny», wie Frank Zappa spottete, sondern er duftet sozusagen in allen möglichen Geruchsnuancen.
Afrikanisch und europäisch, schwarz und weiss, ungebunden und groovend, digital und analog: Jazz ist irgendwie nicht totzukriegen. Offensichtlich drückt diese Musik auch eine Art Menschlichkeit aus, die immer aktuell ist – und bleibt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Hörpunkt, 02.05.17, ab 9 Uhr