Rückblickend ist es wenig überraschend, dass die Musik des österreichisch-ungarischen György Ligeti zum Soundtrack eines epochalen Science-Fiction-Filmes geworden ist. So wie Stanley Kubrick in seiner Weltraumodyssee «2001. A Space Odyssey» die unendlichen Sphären des Alls erkundet, erforscht Ligeti die unbegrenzten Möglichkeiten des Klangs.
Mehrere Werke Ligetis kommen in diesem Film vor, neben «Athmosphères» für Orchester auch «Lux Aeterna» für einen 16-stimmigen Chor. Beiden Werken ist eins gemeinsam: Sie versuchen die üblichen musikalischen Strukturen zu überwinden. Ligeti beschreibt «Athmosphères» und «Lux Aeterna» ähnlich: Als Musik, die keine Ereignisse schafft, sondern Zustände; die keine Konturen und Gestalten erzeugt, sondern nur einen unbevölkerten, imaginären musikalischen Raum. So werden die Klangfarben zum zentralen Wert.
Verschmelzung der Stimmen
Wie funktioniert «Lux Aeterna»? Die 16 Stimmen sind nicht wie im traditionellen Repertoire zu vier Vierergruppen zusammengefasst, sondern völlig selbstständig und unabhängig. Deswegen spricht der Ligeti hier auch von Mikrotonalität, weil die Töne bei einer so hohen Anzahl an Einzelstimmen viel enger verwoben sind: zuerst zu Clustern, also Tontrauben, dann zu eigentlichen Teppichen von Klangfarben und -mustern.
Diese sind zum Teil so dicht, dass die Stimmen verschmelzen. Dabei lösen sich die Individuen genauso auf wie jegliche rhythmische Struktur. Es entsteht ein Klangraum von unendlich anmutender Ausdehnung, der gleichzeitig beängstigend und befreiend klingt. Eine religiöse Dimension, die dem Ausschnitt aus der liturgischen Totenmesse völlig gerecht wird: Lux aeterna – ewiges Licht.
Hohe Anforderungen an die Sänger
Die Umsetzung der Partitur von «Lux Aeterna» ist für die beteiligten Sänger und Sängerinnen eine grosse Aufgabe, die mit viel Probenarbeit verbunden ist. Alles ist bis ins kleinste Detail notiert und trotzdem bleibt die Orientierung ein Problem: 16 Einzelstimmen, jede mit ihrem eigenen Innenleben, aber kein gemeinsam fühlbares Metrum, kein Rhythmus, nichts Melodisches. Alle navigieren gewissermassen im Blindflug. Eine Aufführung ohne musikalische Leitung wird so praktisch unmöglich, die Dirigentenrolle gleicht jener eines alchemistischen Zauberers.
Faszination a-capella-Chorgesang
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«Lux Aeterna» ist also nichts für Laienchöre. Aber professionelle Vokalensembles in Chorgrösse sind dünn gesät. Ihr Einsatzgebiet ist im Gegensatz zu jenem von Orchestern relativ klein. Umso faszinierender ist es, ein solches Ensemble mit einem reinen a-capella-Programm zu erleben. Denn an grossartiger Vokalmusik mangelt es nicht. Und die wurde nicht nur in der Renaissance komponiert, sondern sie entsteht bis heute. György Ligetis «Lux Aeterna» aus dem Jahr 1966 war ein Weckruf. Die menschliche Stimme ist und bleibt das intimste Instrument auf Erden. Näher, menschlicher geht nicht.