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Auf den ersten Blick sieht Oliver Schnyder harmloser aus als er ist. Es steckt ziemlich viel Überraschung in diesem Krauskopf, der so viel internationalen Erfolg hat wie schon lange kein Schweizer Pianist mehr. Denn Schnyder stürzt sich immer wieder in Projekte mit ungewissem Ausgang, die allerdings meistens gut enden. Sei es als Beatles-Experte (er weiss alles!) oder wie kürzlich in einem literarisch-musikalischen Versuch mit dem Schweizer Autor Alain Claude Sulzer.
Die Beiden hatten einander gelesen und gehört, dann gegoogelt, heute sind sie Freunde. Alain Claude Sulzers Roman «Aus den Fugen» über einen Pianisten und Oliver Schnyders Haydnspiel haben den Vielleser und den Musikfan zusammengebracht.
Kein Tastenlöwe
Natürlich ist Oliver Schnyder auch ein ganz «normaler» Musiker. Allerdings einer, der die Kritiker zu eher hymnischen Statements und zum tiefen Griff in die Adjektivkiste verleitet. Es ist wohl die Kombination von technischer und musikalischer Höchstleistung mit zurückhaltendem Auftreten und einer so zwingenden Ausstrahlung, dass jeder merkt: Der hat das Sagen, ohne dass er brüllen braucht.
Ausserdem ist sein Spiel ein Genuss für all jene, die keine Tastenlöwen mögen – so virtuos er auch wirbeln kann, die vielen Töne ordnet er immer der Musik unter. Und für lyrische Stücke mit wenigen Tönen ist er sowieso Spezialist.
Liebe auf den ersten Blick
Schnyder redet gern über seinen Beruf. Wie er sich etwa vor einem Konzert verschiedene Varianten eines Stück zurechtlegt und ihnen Farben zuteilt. Wie er sein Publikum nicht erziehen mag und deshalb mit Hustern und Schläfern Toleranz übt. Dass er wegen der physischen Anstrengung pro Rezital ein Kilo verliert. Und dass er seine Instrumente nach Bauchgefühl ausliest – zwei Töne auf einem Flügel gespielt und er weiss: Ja oder nein, wie bei der Begegnung mit einem Menschen.
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Der bissige Flügel
Verschiedenes unter einen Hut bringen ist Schnyders Hobby: Familie (mit sehr konkreten Vaterpflichten) und internationale Konzerte, Engagement für den Beruf (ja, auch in den Ferien braucht er einen Flügel!) und Distanz dazu. Letzteres ist nachzulesen im originellen «ifaq» (nicht oft gestellte Fragen) auf seiner Website. Schon das in der Klassikszene unübliche «Du» fällt auf:
«Bist du käuflich?» – «Kommt drauf an». «Kannst du Farben in Töne umsetzen?» – «Nein, warum?». «Hat dein Flügel schon mal zugebissen?» – «Yep. Zehen plattgewalzt, Fingernägel abgezwackt, Handgelenke guillotiniert.». «Was machst du, wenn ein Dirigent im Konzert einen Satz zu langsam nimmt?» – «Manchmal passt's. Meistens aber hören wir in meinem Tempo auf».