Eines seiner wichtigsten musikalischen Erlebnisse hatte Hans Kennel in den 1960er-Jahren im Kopenhagener Jazzclub Vingarden. Der legendäre schwedische Pianist Jan Johansson fragte ihn einfach, ob er ein Schweizer Volkslied spielen könne.
Der talentierte Jungspund aus der Schweiz, der den klassischen Hardbop drauf hatte wie kaum einer, konnte nicht reagieren. Peinlich war es ihm deshalb, weil Skandinavier wie Jan Johansson ein völlig unverkrampftes Verhältnis zu ihrer eigenen Tradition hatten und auch im Jazzkontext frei damit spielten.
Spurensuche in der Innerschweiz
Zurück in Zug besorgte sich Kennel ein Alphorn und suchte bald einmal verwandte Geister, die das Terrain mit ihm erforschen wollten. In einer Zeit, in der Schweizer Volksmusik gleichbedeutend mit «Hudigäggeler» war, stand er allerdings so quer in der Landschaft wie das Alphorn-Fa in der temperierten Tonleiter.
Er musste sich noch etwas gedulden, bevor er dann 1982 mit dem Saxophonisten Jürg Solothurnmann die Alpine Jazz Herd gründete. Das Alphorn und den Büchel hatte er spätestens von dieser Zeit an immer im Gepäck.
Jazz und Kräuterbusiness
Das Thema Jazz und Volksmusik sollte Hans Kennel von da an lebenslänglich begleiten – auch wenn er zu gewissen Zeiten nicht so präsent war auf der Szene. Sein zweites Standbein war das Kräuterproduktionsgeschäft, das er von seinem Vater übernommen hatte und weiterführte.
Das ist eine spannende Parallele zum grossen Schweizer Jazztrompeter Franco Ambrosetti, der das Industrieunternehmen seines Vaters managte, und das Trompetenmundstück auch im Ferrari stets an den Lippen hatte, um den Ansatz zu trainieren.
Hardbop und Jazzrock
Hans Kennels Weg durch die Jazzgeschichte wäre aber auch schon ohne das Kapitel Volksmusik äusserst spannend gewesen. Clifford Brown und Lee Morgan waren seine frühen Helden, denen er mit grossem Talent nacheiferte. Mit Bruno Spoerri, George Gruntz, Urs Blöchlinger oder Klaus Koenig spielte er in wegweisenden Bands wie Jazzrock Experience, Magog oder Jazz Community.
Legendäre Auftritte an grossen Festivals von Montreux bis Zürich folgten. Und immer wieder gab es auch Kollaborationen mit internationalen Grössen wie Carla Bley oder Steve Lacy.
Zurück zu den Wurzeln
Ende der 1980er-Jahre bündelte Hans Kennel dann alle sein Erfahrungen in Kleinformationen wie Habarigani (Suaheli für «Wie geht’s?») mit verwandten Geistern wie dem Akkordeonisten Hans Hassler oder dem Posaunisten Roland Dahinden.
Auch das Alphornquartett Mytha war ein perfektes Vehikel für vier Jazztrompeter auf alles andere als ausgetretenen Pfaden. Am Freitag ist Hans Kennel im Alter von 82 Jahren in Zug gestorben.