Wer Horn spielt, braucht vor allem eins: gute Nerven. Selbst Profis können sich nie sicher sein, ob am Ende der 3,5 Meter langen, gewundenen Blechröhre das herauskommt, was sie vorne ins Mundstück hineinblasen.
Mit den Zehen an den Ventilen
Der deutsche Hornist Felix Klieser meistert diese Schwierigkeiten mit Bravour – obwohl er sein Instrument ohne Arme, Hände und Finger spielt. Der heute 29-Jährige kam in Göttingen ohne Arme zur Welt.
Sein Horn ist an einer Metallhalterung befestigt. Das linke Bein winkelt Klieser bis weit über Hüfthöhe an, damit er mit seinen Zehen die Ventile bedienen kann.
Die Hauptarbeit beim Horn-Spielen sei aber nicht das Drücken der Ventile, erklärt Klieser: «Der Ton entsteht über die Luftführung und Atmung – ähnlich wie beim Gesang.» Selbst die Arbeit der rechten Hand, die im Schallbecher den Klang moduliert, lasse sich mit entsprechender Lippentechnik kompensieren.
Alles eine Frage der Übung
Klieser spielt Horn, seit er vier Jahre alt ist. Und mit seinen Beinen und Füssen erledigt er auch sonst so Manches, was Andere mit den Armen oder Händen tun: Etwa Auto fahren oder sein Smartphone bedienen.
«Wenn man ohne Arme geboren wird und die Dinge von Anfang an so praktiziert, ist das ganz simpel», sagt der Hornist.
Die Karriere als Hürdenlauf
Dennoch gab es auf seinem Weg an die Weltspitze viele Hindernisse zu überwinden. «Solange man noch nicht erfolgreich ist, finden das alle total furchtbar», erinnert sich Klieser.
Ein Hornist ohne Arme, der nehme ja nur jemandem den Studienplatz weg, der reelle Chancen hätte. Das sei damals die einhellige Meinung gewesen.
Das Horn als Motivator
Sogar sein eigener Hornprofessor hat Klieser von einer beruflichen Laufbahn abgeraten. Doch dieser machte weiter – unbeirrbar. Denn sein Ziel hatte er klar vor Augen: «Ich wollte einfach so gut wie möglich Horn spielen». Das sei immer seine Hauptmotivation gewesen, sagt Klieser.
Mit 13 Jahren wurde er für ein Jungstudium an die Musikhochschule zugelassen. Seine Karriere lancierte Klieser, als er für sein erstes Solo-Album einen Echo-Klassik-Preis erhielt.
Das Blatt wendet sich
Als der Erfolg einmal da war, drehte sich der Spiess um 180 Grad: «Plötzlich fanden das alle total toll und spannend», erinnert sich Klieser. Was vorher als Problem gesehen wurde, war plötzlich ein Vorteil.
Vorschusslorbeeren geniesst Klieser aber keine. Wenn er als Hornsolist vor einem Orchester sitzt, spürt er den Bewährungsdruck wie jeder andere Solist auch. Das gehöre einfach dazu und mache ihm Spass, sagt der Hornist.
Die Freude am Musizieren ist denn auch hörbar, wenn Klieser spielt. Sein Klang ist geschmeidig und rund. Nicht verwunderlich, dass der Hornist heute mit Top-Orchestern wie den Berliner Philharmonikern zusammenarbeitet.
Neues Barock-Album
Und für sein fünftes Solo-Album, welches im Frühjahr 2021 erscheint, hat sich der Hornist etwas ganz Spezielles ausgedacht: Er spielt darauf Barockmusik, die gar nicht für das Horn gedacht ist.