«Diese Musik wird die Welt erobern», schreibt der Genfer Dirigent Ernest Ansermet 1919 nach dem Besuch eines Jazzkonzerts. Er ist einer der ersten, der die schwarze Musik aus den USA hierzulande ernst nimmt. Die Musikgeschichte wird Ansermet bald recht geben. Bereits ein Jahr später erscheint die erste jazzähnliche Schweizer Platte. Ausgerechnet eine Ländlergruppe nimmt sie auf: Die Bauernkapelle Meyer und Zwahlen spielt «Elli Greens Rag».
Vom Tanzstück zum Kunststück
Jazz trifft den Geist der Zeit. Die Menschen strömen in die Städte, das Leben wird schneller. Die Menschen wollen leben, sich amüsieren, tanzen. Hier setzt die erste Folge der Jazz-Reihe «Vom Tanzstück zum Kunststück» ein.
Swingboys und Swinggirls nennen sich die Jazzanhänger. Der grösste Hit der 30er Jahre heisst «Goody Goody» von den Original Teddies. 700'000 Mal verkauft sich diese Schallplatte, soviel wie keine Platte vorher. Der Schweizer Bandleader Teddy Stauffer hat nicht nur den längsten Dirigentenstab, er ist auch der Star der wilden Berliner Nächte der 30er Jahre.
Doch die Geschichte des Schweizer Jazz ist nicht nur eitel Sonnenschein: Musikern und Fans schlägt immer wieder Unverständnis und Ablehnung entgegen. Der Bauernverband fordert ein Jazzverbot am Mittag. Radio Beromünster will während dem Zweiten Weltkrieg Jazz gleich ganz verbieten. Und als der Bebop die arrivierte Jazzszene aufmischt, wenden sich die «Alten» sogar gegen die «Neuen».
Der eigene Weg
Ende der 50er und in den 60er Jahren orientieren sich Schweizer Jazzmusiker an den grossen amerikanischen Vorbildern: Bud Powell, Dizzy Gillespie und natürlich Miles Davis. Jazzschulen gibt es noch nicht. Man organisiert sich Platten der grossen Musiker, hört sie am Radio. Wer es sich leisten kann, reist nach Paris, der damaligen Metropole des Jazz in Europa.
Wer sich einen Namen machen will als Jazzmusiker, muss sich von Vorbildern lösen und einen persönlichen Stil entwickeln. Davon handelt Folge 2 «Der eigene Weg» mit Blick auf die Karrieren von George Gruntz, Bruno Spoerri, Irène Schweizer und Pierre Favre. Ihnen allen dienen Experimentierlust, Neugierde und vor allem Offenheit als innerer Kompass.
Zwischen Aufbruch und Tradition
Anfangs der 80er Jahre beginnt mit PCs, Quarzuhren und CDs das digitale Zeitalter. Schweizer Jazzmusiker nutzen Computer für ihre Musik. Die Experimente mit digitalem Sampling verstärkt eine Kontroverse, die in den 80er Jahren erbittert geführt wird: Was ist Jazz?
Die dritte Folge der Jazz-Reihe steht unter dem Titel «Zwischen Aufbruch und Tradition». Viele Musikerinnen und Musiker sprengen in diesen Jahren die Grenzen zwischen Jazz, Neuer Musik, Rock und Volksmusik.
Andreas Vollenweider etwa produziert zwei Alben, die in den USA in die Charts kommen – gleichzeitig in den Sparten Jazz, Pop und Klassik. Aber auch Jojo Mayer, Daniel Schnyder oder Erika Stucky bewegen sich musikalisch zwischen verschiedenen Genres.
Während die einen den Jazzbegriff ständig erweitern, besinnen sich andere wieder auf die Wurzeln zurück. So verwandelt Mathias Rüegg sein Vienna Art Orchestra in den 90er Jahren in eine swingende Big Band.
Solche Pendelbewegungen zwischen Aufbruch und Tradition halten den Jazz lebendig: Jazz, einst als fremde Musik in die Schweiz gekommen, ist wichtiger Bestandteil der Schweizer Musikszene geworden.