Seichte Schunkelmusik, Lederhosen, Musikantenstadl – und Loriots Sketch, in dem Erwachsene jodeln lernen und sich dabei die Zunge verknoten: Jodeln hat einen schlechten Ruf – oder zumindest einen zwiespältigen.
Gejodelt wird überall
Dabei kann Jodeln, dieser laute Gesang zwischen Brust- und Kopfstimme, sehr vielfältig sein: Witzig, exotisch, tieftraurig oder meditativ. Jodeln ist Kulturgut und Kommunikationsmittel, es wird im Regenwald von Kamerun, auf dem Balkan, am Polarkreis und in den USA praktiziert.
Und es erfährt eine Renaissance: Jodeln kann man an der Uni studieren, Jodelfestivals und -kurse haben grossen Zulauf und sogar in der Rockmusik und Avantgarde finden sich Jodelmotive.
Im Alpenraum hat das Jodeln eine lange Tradition. Das «unartikulierte Singen aus der Gurgel», wie es ein Reiseführer von 1810 beschreibt, gehört zur Schweiz wie Käse oder Schokolade. Also nur Klischee? Oder haben wir’s tatsächlich erfunden?
Der erste Jodel
Diese Frage vermag auch das Buch «Jodelmania. Von den Alpen nach Amerika und darüber hinaus» von Christoph Wagner nicht zu beantworten. Aber so viel: Die Schweiz ist tatsächlich eines der Ursprungsländer des Alpengesangs.
Es begann wohl mit einem «io» – einem freudigen Ausruf – und wurde zu «io io io». Irgendwann um 1800. Vielleicht, um mit Tieren zu kommunizieren, als Warnruf, oder um den Menschen im Tal mitzuteilen, dass auf dem Berg alles in Ordnung ist.
An die Gurgel, fertig, los!
Schon bald schwappte der alpine Gesang nach Amerika über. Dort brach eine regelrechte «Jodelmania» aus, eine riesige Modewelle.
Der deutsche Musikjournalist Christoph Wagner zeichnet die Erfolgsgeschichte des Jodelns in seinem reich bebilderten Buch nach. Wagner hat dafür unter anderem im Stadtarchiv von Chicago Mikrofilme gesichtet und das Archiv der Library of Congress in Washington DC durchforstet.
Der Historiker hat so spannende Geschichten ausgegraben, die bisweilen auch skurril und tragisch sind. Der Autor folgt alpenländischen Folkloregruppen auf ihren Gastspielen durch Amerika und beschreibt ihre verrückten Bühnenshows, die auf das Heimweh der Auswanderer zielten und den Jodel-Boom der 1930er-Jahre begründeten.
Auch aktuelle Tendenzen nimmt Wagner unter die Lupe: Das Jodeln ist auch im Umfeld von Jazz, Avantgarde und Neuer Volksmusik beliebt. Künstler wie Erika Stucky oder Andreas Schaerer haben den Alpengesang von Schenkelklopf-Zwang und Alpenkitsch-Idylle befreit.
Die kanadische Gruppe Alpendub macht den Jodel discotauglich, und auch Popstar Gwen Stefani jodelt zuweilen. Christoph Wagners Buch zeigt: Jodeln ist keineswegs verstaubt oder langweilig, sondern immer noch vielfältig und lebhaft.