In ihrer Heimat ist Dora Pejačević fast so berühmt wie Mozart: Strassen, Cafés und sogar ein Parfüm tragen ihren Namen. Ausserhalb Kroatiens landete sie nach ihrem frühen Tod im Jahre 1923 schnell auf dem historischen Abstellgleis. Dabei war sie einst eine europaweit bekannte Komponistin.
Tochter aus gutem Hause
Dora Pejačević, geboren 1885, wächst als Gräfin im Schloss ihrer Eltern in Našice, im heutigen Kroatien, auf. Schon früh bekommt sie Klavier- und Geigenunterricht, schreibt bereits als Kind erste Stücke und studiert später in Dresden und München Komposition.
Für die Adelige ist die Musik kein Zeitvertreib, sondern Berufung. Und so hinterlässt sie ein umfangreiches und vielfältiges Gesamtwerk aus Klavier-, Kammermusik-, Orchester- und Vokalwerken.
Auf den Spuren eines Freigeists
Für ihren Dokumentarfilm «Dora – Flucht in die Musik» sind die Pianistin Kyra Steckeweh und der Filmemacher Tim van Beveren vier Jahre lang den Spuren Pejačevićs gefolgt, quer durch Europa.
Entstanden ist das Bild einer wissbegierigen Frau, die fünf Sprachen spricht, viel reist und mit Rainer Maria Rilke und Karl Kraus bekannt ist. Wie wichtig und teilweise intensiv ihre Freundschaften mit Frauen waren, zeigen die Briefe, aus denen im Film zitiert wird: Die Komponistin liebte offenbar Männer wie Frauen.
(K)ein Glückskind ihrer Zeit
In ihrem kurzen Leben hat Dora Pejačević viele politische Umbrüche und Krisen erlebt: den Zerfall der K.-und-K.-Monarchie, die Gründung von Jugoslawien, den ersten Weltkrieg – während dem sie freiwillig als Krankenschwester im Lazarett arbeitet.
Gerade in dieser Zeit komponiert sie besonders viel. Ihre Werke werden regelmässig im In- und Ausland aufgeführt. Wie für viele Komponierende war die Musik auch für Dora Pejačević eine Art Gegenwelt, in die sie sich zurückziehen konnte.
Adel verpflichtet – zum Realitätscheck
«Im Lazarett hat sie gesehen, dass die Welt anders aussah als aus der Perspektive eines Schlosses», sagt die Musikwissenschaftlerin Beatrix Borchard in dem Dokumentarfilm. Dora Pejačević entfremdet sich von ihrer adeligen Herkunft.
Als die Monarchie zusammenbricht, muss sie ihr Leben der neuen Zeit anpassen, um weiter komponieren zu können. «Dass sie vom Komponieren nicht leben konnte, war klar», sagt Borchard. 1921 heiratet sie den Offizier Ottomar von Lumbe. Nicht nur aus Liebe, sondern auch aus einem Bedürfnis nach Sicherheit.
Am 5. März 1923 – nur zwei Jahre später – stirbt die Komponistin an einer Blutvergiftung, wenige Wochen nach der Geburt ihres Sohnes in München.
Eine wahre Fundgrube
Über ihre letzten Lebensjahre wusste man bislang wenig. Doch Kyra Steckeweh und Tim van Beveren können den Enkel von Dora Pejačević in Wien ausfindig machen. Bei ihm zu Hause entdecken sie in einer alten Schublade Briefe und Fotos aus dieser Zeit.
Offenbar konnte Doras Mann nicht viel mit Musik anfangen. Erst kurz vor dessen Tod 1978 schenkt er dem Musikinstitut in Zagreb die Manuskripte und Partituren seiner Frau, so die kroatische Musikwissenschaftlerin Koraljka Kos: «Es ist wirklich schade, dass die Noten von Dora nach ihrem Tod fast 50 Jahre stumm blieben.»
Dora Pejačević wird erst Anfang der 1970er-Jahre wiederentdeckt. Koraljka Kos schreibt 1982 eine Biografie über die Komponistin. Inzwischen sind viele ihrer 58 Werke publiziert. Einige wurden auf CD eingespielt. Und nach und nach stehen ihre Werke auch auf Konzertprogrammen.