Seit zwei Jahren besuchen Musikerinnen, Slam-Poeten, Schauspielerinnen und andere Kulturschaffende dank dieses Vereins kranke Menschen zu Hause oder im Spital und schenken ihnen eine Darbietung. Auch die Schwächsten in unserer Gesellschaft sollen so in den Genuss von Live-Kultur kommen.
Begegnungen mit kranken Menschen kann man eigentlich gar nicht in Worte fassen, sagt Shirley Grimes. Sie ist die Gründerin von «Kultur am Bettrand» und selbst Musikerin. Trotzdem will sie es versuchen.
«Wir haben sehr viele Krebspatienten, die zum Teil gerade eine gute Phase haben. Und dann gibt es Prosecco zum Konzert mit den Familienmitgliedern und ein paar Häppchen. Das sind ganz wertvolle Momente», so die Vereinsgründerin.
Aus einer alten Idee entstand ein neuer Verein
Eine Konzert-Begegnung mit einem 90-jährigen Mann kann Shirley Grimes nicht mehr vergessen: «Er hat es im ersten Moment gar nicht verstanden, weil er nicht geglaubt hat, dass jemand das für ihn macht und er war zutiefst berührt. Am Anfang hat er geweint, irgendwann hat er sich hingelegt, die Augen geschlossen und einfach zugehört.»
Ich habe gemerkt, dass ich mehr machen muss, als einfach auf der Bühne vor einem normalen, zahlenden Publikum zu hocken.
Viel zu selten komme sie selbst zu solchen Auftritten bei Kranken zu Hause oder im Spital, sagt Grimes. Die meiste Zeit sei sie damit beschäftigt, Kulturschaffenden Aufträge zu geben und sie bei den Betroffenen vorbeizuschicken.
Die Idee zu «Kultur am Bettrand» trägt die gebürtige Irin schon lange mit sich herum. «Das Projekt hat, glaube ich, vor 20 Jahren angefangen. Damals habe ich gemerkt, dass ich mehr machen muss, als einfach auf der Bühne vor einem normalen, zahlenden Publikum zu hocken.»
Ein Konzert-Konzept, das ankommt
Mittlerweile kann man auf der Website des Vereins unter rund 60 Künstlerinnen und Künstlern auswählen. Da ist etwa die Indie Folk-Musikerin Martina Linn, der Rapper Baze oder auch das Schweizerörgeli- und Jodel-Duo Melanie und Ueli Oesch.
Es hat ganze Studien über die heilende Wirkung von Musik gegeben, aber man kann sie immer noch nicht benennen.
Obwohl es keine Überraschungsdarbietungen gibt, seien die Betroffenen manchmal etwas überfordert von der Situation, sagt Shirley-Grimes. «Wenn man Fan von jemandem ist und die Person bei dir im Wohnzimmer steht, ist auch eine Überforderung da.»
Manche Auftritte können nicht warten
Die Darbietungen sind für die Betroffenen gratis. Die Kulturschaffenden bekommen einen symbolischen Betrag für ihren Auftritt. Finanziert wird «Kultur am Bettrand» durch Stiftungen und private Spenden. So kämen etwa zehn Auftritte pro Monat zustande, manchmal gäbe es sogar Notfalleinsätze.
«Gerade diese Woche haben wir am Dienstag eine Einsatzanfrage bekommen und das Konzert für Samstag geplant. Doch die betroffene Person ist in der Zwischenzeit gestorben. Man muss sehr schnell reagieren können. Gerade jetzt in der Ferienzeit ist das schwierig gewesen.»
Musik als Medizin?
Kultur ist in diesem Fall also ein Notfall-Mittel für Menschen, die krank sind oder gar im Sterben liegen. Die Frage, warum Musik oder überhaupt Kultur so heilend sein kann, kann auch Shirley Grimes nicht endgültig beantworten.
«Ich weiss einfach, wie es sich anfühlt. Man kennt es ja von sich selbst, wenn man beispielsweise Musik von Bach hört, weil man aufgeregt ist. Man kann sich nicht aufregen und Bach hören – beides zusammen geht einfach nicht. Es hat ganze Studien darüber gegeben, aber man kann es noch immer nicht benennen.»
Manche Dinge kann man halt nicht in Worte fassen. Dafür ist die Musik da.