«Ich war noch nie so nah so weit weg von Zürich», sagt die 22-jährige Daria, die in Zürich Theaterpädagogik studiert und einen Monat in Terra Vecchia verbringt. So heisst das Dorf, welches hoch über dem Centovalli-Tal im Tessin liegt.
Es ist nur erreichbar über einen anstrengenden Fussmarsch oder mit der Seilbahn. Vor vielen Jahrzehnten haben die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Dorf verlassen, weil es keine Lebensgrundlage mehr bot.
Eine Stiftung hat die Steinhäuser renovieren lassen, damit neues Leben in die Terra Vecchia einziehen kann. Aktuell ist Terra Vecchia zu einem «Kulturdorf für junge Menschen» geworden. In einem Kulturprojekt, das vom Bund massgeblich finanziell mitgetragen wird, treffen Kunststudierende und junge Geflüchtete aufeinander, um gemeinsam in dieser verlassenen Bergwelt neue Geschichten zu erzählen, welche in Blogs, Ausstellungen und auf YouTube gezeigt werden.
Viel Menschlichkeit im hintersten Ecken der Schweiz
«In Zürich lebt man aneinander vorbei, hier kann man sich nicht aus dem Weg gehen, die Begegnungen sind darum sehr intensiv», sagt Daria. Junge Menschen zusammenbringen, deren Leben ansonsten wenig Schnittmengen miteinander hätten, ist auch eines der Projektziele, sagt die Kulturvermittlerin Barbara Balba Weber, die dieses Projekt am Ende der Welt leitet.
Wenn er in dieses entlegene Dorf komme, sei er überwältigt von seinen Gefühlen, sagt der 23-jährige Eritreer Kiflom. Er arbeitet in Lugano als Krankenpfleger und kommt in seiner Freizeit nach Terra Vecchia.
Die Kargheit dieser Berggegend erinnere ihn immer an sein Zuhause, mache bewusst, wie weit weg er von seiner Heimat sei. Gleichzeitig habe er in den Menschen hier eine neue Heimat gefunden. Hier oben in Terra Vecchia gebe es viel Menschlichkeit.
Sprachbarrieren überwinden
Die jungen Menschen kommen mal für nur einen Tag oder aber einen Monat ins Terra Vecchia. Sie stellen sich hier den ganz grossen Fragen des Lebens, wie: «Was macht den Menschen zum Menschen?» oder «Wie kann ein Mensch mit einem halben Herzen leben?». Antworten finden sich nicht immer einfach.
Allein schon darum nicht, weil die Menschen aus ganz unterschiedlichen Kultur- und demnach auch Sprachräumen kommen. Für die Kulturvermittlerin Barbara Balba Weber ist das einer der Schlüsselpunkte dieses Projekts, denn da, wo die Sprache nicht genügt, müssen die jungen Menschen kreativ werden, um sich zu verständigen. Musik sei ein häufig ergriffenes Mittel, um die Sprachbarrieren zu überwinden.
Noch bis Herbst arbeiten die jungen Menschen an ihrer gemeinsamen Geschichte. Am Ende entsteht daraus ein Film. Ein Film, der bestimmt von viel Musik begleitet sein wird.