Diesen Sommer scheint sich das Kultur- und Kongresszentrum Luzern zeitweise in ein kleines Kinderparadies zu verwandeln. Vor dem Eingang zum Konzertsaal sind Spieluhren bereitgestellt, welche die Besucher musikalisch ins Kinderzimmer zurückversetzen. Eine Kinderstimme erinnert das Publikum im Konzertsaal daran, die Mobiltelefone auszuschalten, und nach dem Eröffnungskonzert gibt es Zuckerwatte für alle.
Verspielte Details, die am diesjährigen Lucerne Festival für ein zum Motto «Kindheit» passendes Ambiente sorgen. Doch sie allein werden kaum Kinder anziehen oder für klassische Musik begeistern.
Eigene Konzertreihe für die Kleinen
Die grossen Sinfoniekonzerte sind denn erwartungsgemäss nicht die Veranstaltungen, zu welchen die Kleinen scharenweise hinströmen. Für sie gibt es aber sonst aussergewöhnlich viel zu erleben im Rahmen des diesjährigen Festivals.
Speziell auf das junge und ganz junge Publikum zugeschnitten sind die Veranstaltungen der bereits 2014 eingerichteten Sparte «Lucerne Festival Young». Sie sind auf ihre Weise nicht minder attraktiv und hochwertig als die grossen Konzerte im KKL – und auch für die erwachsenen Begleitungen der Kinder eine Bereicherung.
Im Kinderprogramm gibt es Highlights...
Im Pavillon Tribschenhorn etwa, in der Produktion «Traumland» des Figurentheaters Petruschka unter der Leitung von Marianne Hofer, sitzt das grösstenteils sehr junge Publikum eng beieinander und verfolgt gebannt, wie ein junges Mädchen eine abenteuerliche Reise durchs Traumland unternimmt.
Der Bühnenraum ist klein, die Bühnenbilder und die Puppen dafür umso liebevoller gestaltet. Abgerundet wird das Ganze durch stimmige Musik von Edvard Grieg bis Jodok Vuille und mit detailreichen Sandmalereien. Ein bezauberndes Highlight!
Ebenso gelungen auch die «Senegalliarde» des Regisseurs Dan Tanson, ein so feinsinniges wie vielsagendes Familien-Tanztheater ohne Worte, dafür mit afrikanischer und europäischer Musik.
...andere Konzerte sind zu lang
Verbesserungspotential gäbe es hingegen bei den Kinderkonzerten im grossen Saal des KKL. Die Konzertdramaturgie war zumindest beim ersten grossen Familienkonzert noch nicht optimal, ausserdem war es für einige Kinder zu lang.
Hier könnte das Festival hinsichtlich der Attraktivität für das junge Publikum noch mehr herausholen. Gerade weil dies für die Kleinen ein Zwischenschritt in Richtung abendfüllendes Sinfoniekonzert sein könnte. Und weil die Nachfrage offensichtlich gross ist.
Residenzkünstler und Programm passen zum Motto
Für das übrige Festivalprogramm wurden die Hauptakteure und viele Werke im Hinblick auf das Motto «Kindheit» ausgewählt. Die beiden «artistes étoiles» etwa: Zum einen Sol Gabetta, früher Cello-Wunderkind, jetzt auf den Bühnen der Welt unterwegs. Zum anderen Dan Tanson, ein Spezialist für Kinderkonzerte.
Als «Composer in Residence» wurde der Komponist und Klangkünstler Fritz Hauser verpflichtet, der mit fast kindlicher Spielfreude Klänge, Geräusche und ihre Wirkung im Raum erkundet.
Selbst die grosse Werkschau «Kosmos Stockhausen» hat einen Bezug zur Kindheit – einen bedauerlichen allerdings: Der bedeutende Avantgardist Karlheinz Stockhausen, der heuer seinen 90. Geburtstag feiern würde, hatte eine schwer belastete Kindheit zu durchleben.
Und auch im Konzertprogramm spiegelt sich das Motto wider: Einerseits in diversen Werken von allseits bekannten Wunderkindern wie Wolfgang Amadeus Mozart oder Felix Mendelssohn. Andererseits in Stücken mit märchenhaftem Programm.
Nicht alles ist kindlich
Dass sich aber nicht sämtliche am Festival aufgeführten Werke unter das Motto «Kindheit» zwängen lassen, das ist bei mehr als 100 Veranstaltungen nicht weiter erstaunlich. So lässt sich die Interpretation einer Bruckner-Sinfonie durch das von Festival zu Festival tourenden Lucerne Festival Orchester nur schwer an kindliche Sphären anbinden.
Insgesamt hat das Lucerne Festival es aber das auch dieses Jahr wieder geschafft, einen Grossteil seines Sommerprogramms unter einem attraktiven Motto zu versammeln. Es hat zudem sein Engagement für das Konzertpublikum der Zukunft weiter ausgebaut.