Es sei das wichtigste Buch über die Beatles seit «Anthology», der Autobiografie der Band aus den 1990er-Jahren, sagt Literaturredaktor und Beatles-Kenner Michael Luisier. «Lyrics» heisst das Mammut-Werk, zwei Bände, 900 Seiten und als Autor zeichnet Paul McCartney.
Alle Songs persönlich erklärt
Das Buch enthält viele bisher unveröffentlichte Fotos und vor allem das gesamte Werk von Paul McCartney als Songwriter der Beatles. Alle Songs, die McCartney komponiert und getextet hat, sind alphabetisch aufgelistet und mit einem persönlichen Kommentar von ihm versehen.
«Wenn es eine Person gibt, die wirklich erzählen kann, worum es in all diesen Songs geht, dann ist es logischerweise Paul McCartney selber», sagt Michael Luisier. Deshalb sei das Buch quasi aus dem innersten Zirkel der Band und ermögliche neue Einblicke.
Von Shakespeare inspiriert
Beispielsweise beim Song «The End». Es ist der letzte Take auf «Abbey Road», der letzten Platte der Beatles und eigentlich «ein Abgesang auf die Band», meint Luisier.
Im Song findet sich der Zweizeiler
And in the end the love you take
Is equal to the love you make
Paul McCartney schreibt dazu, dass seine Inspirationsquelle dafür Shakespeare ist. «Bei jedem Shakespeare-Stück kommt am Schluss bei den wichtigen Stellen ein Zweizeiler. Zwei Zeilen und ein Reim, genau das macht Paul McCartney hier auch», erklärt Luisier.
Hier zeige sich, wie belesen McCartney sei. Diese Anknüpfung an Shakespeare könne er einfach abrufen. «Wenn man bedenkt, dass dieser Zweizeiler der Schlusspunkt ist nach acht Jahren musikalischer Meisterwerke, dann hat das fast etwas Mystisches.»
Was «Eleanor Rigby» mit Hitchcocks «Psycho» verbindet
Ein anderes Beispiel: «Eleanor Rigby». Da gibt es die bekannte Geschichte, dass sich in Liverpool ein Grabstein auf einem Friedhof mit diesem Namen findet. McCartney erzählt in «Lyrics» aber noch von einer anderen Eleanor, die auch eine Rolle spielte.
Vor allem aber gibt er Einblicke in die Musik: Eine prominente Rolle spielt im Song ein Streichquartett. Dieses Streichquartett zitiere den Film «Psycho» von Alfred Hitchcock. Die Geigen, die im Song immer aufschreien, das sei der berühmten Duschszene im Film entlehnt.
McCartney oder Lennon? Die Frage ist geklärt
Für die Beatles war Paul McCartney immer eine zentrale Figur gewesen: «Er kann all die Instrumente. Er war der Hauptansprechpartner des Produzenten. Er entwirft ein Streichquartett, wenn es wirklich eins braucht.» Obwohl John Lennon den Nimbus eines Genies hatte, stand ihm Paul McCartney musikalisch in nichts nach.
Die grosse Überraschung für Beatles-Kenner Luisier war nach der Lektüre von «Lyrics» die Erkenntnis, dass es bei den Texten offenbar auch so ist.
Man sehe, wie tief Paul McCartney in der englischen Lyrik verankert sei: «McCartney hat, um es auf den Punkt zu bringen, als Teil der Beatles die englische Lyrik um die Popkultur erweitert und umgekehrt die Popkultur um die englische Lyrik», lautet das Fazit von Michael Luisier.