Warum steht ein Punk in Myanmar mit einem Bein im Gefängnis? Was machen Noise-Cancelling-Kopfhörer mit uns? Wie klingt ein Baum in Samoa? Kurzum: Wie klingt die Welt? Seit 2002 sucht das Schweizer Online-Magazin «Norient» Antworten auf diese Frage.
Vom Blog zum renommierten Online-Magazin
Der Berner Musikethnologe und Journalist Thomas Burkhalter gründete «Norient» zunächst als Blog über Underground-Musik und Phänomene in den Nischen. Doch schnell mauserte sich «Norient» zu einem renommierten Online-Magazin in der Weltmusikszene.
Es wurde zum Portal, das Wissenswertes über globale Pop-Phänomene liefert, über Musik aus der ganzen Welt. In Form von Texten, Interviews, Dokfilmen, Video- und Fotostrecken oder Podcasts.
Norient in der Krise
Dann wurde «Norient.com» im Dezember 2019 abgeschaltet. Dafür gab es laut Burkhalter verschiedene Gründe, der Hauptgrund liegt aber wohl bei den begrenzten Ressourcen. «Norient» hat ein grosses Netzwerk, eine Community von über 700 Denkerinnen, Musikern und Künstlerinnen aus 50 Ländern.
Ihnen wolle «Norient» weiterhin eine Plattform bieten können, aber auf professionellere Weise als bisher. «Norient» will neue Formate entwickeln, weltweit Autorinnen und Autoren engagieren und faire Honorare zahlen können. «Aber mit einem kleinen Team von insgesamt 160 Stellenprozenten ist es einfach nicht möglich, das zu stemmen», so Thomas Burkhalter.
Schwierige Finanzierung
Hinzu komme die Frage der Finanzierung. «Einen Teil des Online-Magazins konnten wir durch Fördergelder querfinanzieren, die wir für unsere Projekte oder kuratierten Veranstaltungen erhalten haben», so Burkhalter.
Etwa für das Norient-Musikfilmfestival, aber auch für Ausstellungen und Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Zürich, dem Zentrum Paul Klee, am Rewire Festival in Den Haag oder an den Donaueschinger Musiktagen. «Aber letztlich haben wir es bisher nicht geschafft, diese Online-Plattform direkt zu finanzieren.»
«The Now in Sound» – das neue «Norient»?
Aus diesem Grund haben die Macher jetzt eine Crowdfunding-Kampagne lanciert. Sie versuchen einen Neustart mit einer neuen Plattform: «The Now in Sound» – eine virtuelle, transdisziplinäre Galerie und Community-Plattform, die spielerisch zwischen Kunst, Journalismus und Wissenschaft vermitteln soll.
So will sich «Norient» auch ein Stück weit selbst neu erfinden. «Wir möchten den Fokus noch mehr auf Geräusche, Lärm und Sound legen, mehr Leute erreichen, politischer, kritischer und experimenteller sein als bisher», sagt Thomas Burkhalter.
Das endgültige Aus für «Norient»?
Auch Bücher oder wissenschaftliche Arbeiten von jungen Forscherinnen und Forschern sollen dort ihren Platz bekommen. Es gebe viele tolle Recherchen einer jungen Szene von Doktorierenden. «Aber diese Arbeiten werden nicht gesehen. Hier versucht ‹Norient› eine Art Brücke zu sein.»
Der Launch der neuen Plattform hängt allerdings ab vom Erfolg der Crowdfunding-Kampagne. Was passiert, wenn sie ihr Funding-Ziel nicht erreichen, weiss wohl nicht einmal Thomas Burkhalter so genau. Doch es sieht ganz danach aus, als ob dies das endgültige Aus für «Norient» bedeuten würde.
«Norient» ist eine wichtige Plattform
Wenn Plattformen wie «Norient» verschwinden, hat das auch Auswirkungen auf die Musikszene. Denn sie fördern den Austausch zwischen den Kontinenten und zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen, setzen sich gegen Diskriminierung ein.
Die Welt braucht unabhängige, nicht-profit-orientierte Plattformen, kritische Stimmen und neue Perspektiven. In dieser Hinsicht war «Norient» auch ein Angriff auf westlich geprägte Begrifflichkeiten und Kategorisierungen wie «Orientalismus» und «Exotismus». Denn «Norient» heisst «No Orientalism» – keine Schubladen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 23.1.2020, 9 Uhr