Als Pink Floyd sich im Juni 1972 in den Londoner Abbey Road Studios für die Aufnahmen ihres neuen Albums «The Dark Side of the Moon» einfinden, ist die Musik schon mehr oder weniger pfannenfertig.
Die britische Band hat die Songs bereits live auf der Bühne erprobt, was die Arbeit im Studio enorm erleichtert. Es braucht kein langes Suchen und Ausprobieren, weil bereits klare Klangvorstellungen vorhanden sind und viele Songideen sich setzen konnten.
Diese unaufgeregte Stimmung zeichnet auch das Album aus. Durch das perfekte Ineinandergreifen der musikalischen Parts wird die Musik luftig und gleichzeitig kraftvoll. Die musikalische Aufgeräumtheit hat indes zur Folge, dass «The Dark Side of the Moon» vergleichsweise poppig daherkommt.
Hinter dem Mond
Die griffigen Melodien, die klaren Strukturen der Songs und die üppige Produktion mit beispielsweise Background-Sängerinnen machen das Werk für viele Kritiker zu glatt.
Von «billigem Gebrauchsrock» ist die Rede. Vorgängeralben wie «Ummagumma» oder «Atom Heart Mother» sind um einiges experimenteller, und viele empfinden die Entwicklung der sonst so progressiven Band als künstlerischen Rückschritt.
Ein Album als Spiegel seiner Zeit
Als das Album entsteht, geht die Hippie-Ära langsam zu Ende. Jene Zeit also, in der man einer Utopie hinterherjagte. Stattdessen rückt der Druck des Alltags in den Vordergrund: Geldsorgen, Zeitmangel und Vergänglichkeit.
«The Dark Side of the Moon» reagiert auf diese globalen Herausforderungen. Die Band schüttelt den psychedelischen Space Rock ab und wendet sich wirklichkeitsnah den Nöten der Menschheit zu: Krieg, Allmacht des Geldes und Entfremdung etwa. Es behandelt aber auch bandinterne Themen: die Erschöpfung durch intensives Touren etwa oder den Umgang mit psychischen Krankheiten.
Techno vor dem Techno
Mit der Zeit wird klar, wie wertvoll und wegweisend das Album auch für spätere Musikgenres ist. So waren die Synthesizer-Sequenzen in «On the Run» damals neu in der kommerziellen Musik. Die Intensität und Dringlichkeit dieser Sounds erinnert an die spätere Techno-Musik.
Das Album ist auch ein Meilenstein der Tontechnik. Es ist eines der ersten, das nicht nur in Stereo, sondern auch in Quadrofonie erhältlich ist, einer damals neuen Form des Raumklangs, den man heute als Surround-Sound kennt.
Die dunkle Seite des Roger Waters
Während das Album «The Dark Side of the Moon» künstlerisch eine Würdigung verdient, steht der Texter und Bassist Roger Waters heute in der Kritik. Hintergrund sind israelfeindliche Aussagen von Waters und sein Bekenntnis zur Bewegung «Boycott, Divestment, Sanctions» (BDS). Diese will den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren. Ausserdem gibt sich Waters als putinfreundlich.
Zuletzt plante Waters, der mit den verbleibenden Pink Floyd-Mitgliedern zutiefst zerstritten ist, Grosskonzerte in diversen europäischen Städten. Diese wurden in vielen Fällen aber bereits wieder abgesagt – eben wegen Waters’ dunkler Seite.