Manchmal entstehen beim Musikhören innere Bilder und ein bestimmter Klang löst eine Kette von Assoziationen aus. Mit diesem Phänomen spielt Cathy van Eck in ihren Arbeiten, und macht aus Klängen visuelle Erlebnisse. Indem sie musikalischen Ausdruck mit körperlichen Gesten verbindet, kreiert sie eine Art Musiktheater. Dieses erzählt zwar keine Geschichten, regt aber umso mehr unsere Fantasie an, und lässt uns alltägliche Dinge mit anderen Augen sehen und anderen Ohren hören.
Sirenen in der Tiefgarage
Cathy van Eck, 1979 geboren, ist holländisch-belgische Doppelbürgerin, seit vielen Jahren lebt sie mit ihrem Partner und zwei kleinen Kindern in der Schweiz und arbeitet als Dozentin an der Hochschule der Künste Bern.
Es ist aber auch gut möglich, dass man ihr in einer Tiefgarage mitten in Portugal begegnet, wo sie langsam durch die unterirdischen Stockwerke spaziert, an ihren Schultern sind rechts und links zwei riesige, knallgelbe Flügel angebracht. Schaut man genauer hin, erkennt man, dass es keine Flügel, sondern zwei Lautsprecher sind. Diesen übergrossen Megaphonen entströmen verfremdete, sirenenartige Klänge.
Individuelle Erfahrung
Die Performance heisst «Hearing Sirens», also «Sirenen hören». Die Arbeit zeigt exemplarisch, wie Cathy van Eck fast immer mit mehreren, oft gegensätzlichen Deutungsebenen spielt. Die Sirene kann hier als Warnsignal gemeint sein. Oder es ist die Sirene als mythologische Frauengestalt. Das Warnsignal ist dafür da, Leben zu retten und vor Todesgefahr zu warnen, die Sirene der Mythologie lockt mit ihrem verführerischen Gesang die Seemänner in den Tod.
Genau diese Doppeldeutigkeit interessiert Cathy van Eck. Sie erzeugt mit künstlerischen Mitteln eine Ambivalenz beim Zuhörer, löst diese aber nicht auf. Jeder im Publikum muss sich also seinen eigenen Reim machen, muss seine eigenen Antworten finden, seine eigenen Resonanzräume öffnen und Assoziationen zulassen. Für jeden Einzelnen werden die Performances von Cathy von Eck also eine höchst individuelle Erfahrung.
Geräusche sind Musik
Die Klangkunst hat sich im 20. Jahrhundert als eigenständige Kunstform etabliert. Am Anfang stand dabei das Geräusch, das sich vom störenden Nebeneffekt zum vollwertigen Kompositionsmaterial und Ausdrucksmittel entwickelte. Zugleich sprengten die Dadaisten in ihren Kunstwerken sämtliche Gattungsgrenzen und hoben die Trennung von Kunst und Alltag auf. Mit neuen Audio- und Computertechnologien konnte man ab den 1960er-Jahren neue virtuelle Klangräume kreieren. So entstanden Klanginstallationen, bei denen der Raum selbst Teil des Kunstwerkes ist.
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Schliesslich kam mit der Klangperformance die vielleicht vielfältigste Form der Klangkunst auf. In der performativen Klangkunst, so wie sie auch Cathy van Eck ausübt, können alle Medien miteinbezogen werden: Der eigene Körper wird dabei zum Instrument, der öffentliche Raum zur Bühne, der Computer greift komponierend ins Geschehen ein, Videos und andere Requisiten werden zu mitspielenden Partnern.
Grünes Rauschen im Lorbeerbaum
So verbinden sich in jeder Arbeit von Cathy van Eck Musik, Gesten und Raum zu einer neuen Szenerie mit eigenwilligen Protagonisten, die überraschende Geschichten erzählen, abstrakt und sinnlich zugleich: Mal stehen die Lautsprecher-Flügel im Mittelpunkt («Hearing Sirens»), mal ein Lorbeerbaum, der wie eine Harfe bespielt wird («Groene Ruis»), mal klingende Wände, die sich geisterhaft bewegen («Wings»), mal die Herztöne des ungeborenen Kindes im Bauch der Künstlerin («Double Beat»), mal verbotene Klänge einer Stadt («Klangverordnung»). Und die Wirklichkeit wird zu einer neuen persönlichen und ästhetischen Erfahrung.