Der Jazz boomte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und die Faszination für das junge Genre machte auch vor den Komponisten der klassischen Musik nicht halt. Umgekehrt gab es vereinzelt auch Jazzer, die sich mit frischem Interesse der Klassik zuwandten. Benny Goodman war einer von ihnen. Seine Motivation war so gross, dass er dafür sogar seine Spieltechnik komplett umstellte und neu erlernte.
Kurzum: Der Weltstar Goodman, der «King of Swing», nahm Klarinetten-Unterricht bei einer klassischen Kollegin. Was für andere ein demütigender Kniefall gewesen wäre, war für ihn eine willkommene Erweiterung seiner Möglichkeiten und öffnete ihm Tür und Tor in eine neue Welt. Umgekehrt öffnete sich durch ihn auch für manchen klassischen Komponisten die Tür in Richtung Jazz. Goodman wurde zu einem Verbindungsmann zwischen zwei Genres, die sich noch vielerorts feindlich gegenüberstanden.
Quo vadis, Goodman?
Benny Goodmans Türöffner in die Welt der Klassik war Mozart. Das Klarinettenquintett KV 581 wurde quasi zu seiner Einstiegsdroge. Später kam das Klarinettenkonzert KV 622 dazu. Beide Werke hat er immer wieder gespielt und auch aufgezeichnet.
Dann folgte der Schritt Richtung zeitgenössische Musik: Bela Bartok schreibt 1938 ein Trio für Klarinette, Violine und Klavier mit dem Titel «Kontraste». Gewidmet Benny Goodman und dem Geiger Joseph Szigeti. 1940 in New York, kurz nach der Emigration von Bartok in die USA, nehmen es die drei zusammen auf.
Das Resultat: Ein epochales Tondokument. Was Bartok in Goodman sucht und findet ist ein neuer Klarinettenton. Nicht auf weichen Hochglanz poliert, sondern erdig, klagend, durchdringend, manchmal fast an Klezmer erinnernd. Hier hört man nicht nur den Jazz, sondern auch Goodmans jüdische Wurzeln.
Wie bereichernd ein Benny Goodman als klassischer Interpret sein konnte, blieb fortan nicht mehr unbeachtet. Paul Hindemith, Aaron Copland und Malcom Arnold schrieben je ein Klarinettenkonzert für ihn, Morton Gould und Leonard Bernstein folgten ebenfalls mit Kompositionen. Und natürlich ging es auch um Aufmerksamkeit: Wenn ein Superstar wie Goodman eine neue Komposition spielt, dann bedeutet das Rampenlicht.
Goodman, der Anti-Rassist
Natürlich gab es in den 30er-Jahren ein starkes Status-Gefälle zwischen Klassik und Jazz. Noch viel grösser und gravierender war aber jenes zwischen schwarz und weiss: Stichwort Rassentrennung. Goodmans bedeutendster Kampf war deshalb jener für die Gleichberechtigung schwarzer und weisser Musiker. Dass diese nämlich damals in den Staaten zusammen im gleichen Club, im gleichen Konzert auftraten, das war schlicht undenkbar.
Benny Goodman war indes nur an einer Sache interessiert: Die besten Musiker zu bekommen. Herkunft, Hautfarbe und Schuhgrösse interessierten ihn nicht. Und das setzte er als einer der ersten Bandleader auch in seinen Formationen durch. Allem konservativen Protest zum Trotz. Sein legendäres Quartett bestand aus zwei schwarzen und zwei weissen Musikern. Das war schlicht revolutionär, wenn man an seinen Bekanntheitsgrad denkt.
«I'll knock you out if you use that word around me again»
Auf die Frage warum er mit einem «Nigger» zusammenspielte pflegte Goodman zu zischen: «Ich schlag dich nieder, wenn du dieses Wort noch einmal in meiner Gegenwart verwendest!» Eine Ansage, die keine Fragen offen lässt. Benny Goodman war ein Meister darin, zusammenzuführen, was zusammen gehört, ob schwarz oder weiss, Jazz oder Klassik. Auch dafür ziehen wir bis heute den Hut.