Behutsam zeichnen die Geigen ihre Figuren. Flöten, Klarinetten und Hörner mischen sanfte Farben dazu. Die Altistin singt von der himmlischen Liebe. Johannes Brahms sind in seiner «Alt-Rhapsodie» dazu die schönsten Kantilenen eingefallen. Gute Musik ist das, zweifelsohne. Guttuende Musik. Doch wäre nicht auch eine gegenteilige Wirkung denkbar?
Schlechte Musik – ja, die gibt es. Aber böse Musik? Müsste böse Musik auch schlechte Musik sein? Im ästhetischen Urteil mancher rangieren die harten Klänge etwa des Heavy-Metal weit unten, ebenso die süsslichen Töne eines Schnulzen-Sängers. Hart, laut, aggressiv – solche Attribute fallen, wenn man Musikverständige bittet, böse Musik zu beschreiben. Beim Süsslichen tun sich die meisten hingegen schon schwerer.
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Satanische Misstöne oder himmlischer Klang?
Die griechische Antike hatte klare Vorstellungen von guter und schlechter Musik. Ebenso von ihren moralischen Einflüssen. Gewisse Tonarten galten als schön und daher auch gut. Anderen schrieb man zersetzende Wirkung zu, sie waren hässlich und infolgedessen schlecht. Im Mittelalter wurde diese Zweiteilung übernommen: Hier die himmlischen Harmonien, dort die satanischen Misstöne.
Verteufelt hat das Mittelalter jene Musik, mit der menschliche Emotionen angeregt wurden und die Lust zum Tanzen. Solcherlei war der in Moralfragen allbestimmenden Kirche suspekt – weil der Mensch dadurch ausschweifend wurde und somit unkontrollierbar. Mit dem Einzug der Musik in die Küche des grossen Höllenbraters fing indes eine Tradition an, die in den musikalischen Höllenvisionen eines Hector Berlioz gipfelten. In den «dämonischen», weil nicht mehr für menschlich machbar geltenden Virtuosenkompositonen eines Niccolò Paganini oder Franz Liszt.
Die Musik von Eminem in Guantánamo eingesetzt
Heute schätzen wir es, wenn Musik unser Gefühlsleben durchrüttelt. Es liegt nach unseren Vorstellungen geradezu im Wesen der Musik, Gefühle auszulösen. Meist gute. Denn wir sind in der Wahl frei, uns das anzuhören, was wir wollen.
Schwieriger wird es schon, wenn wir im Einkaufszentrum zwangsbeschallt werden oder der Nachbar «musiklärmt». Weit davon entfernt, aber nicht unähnlich, sind Foltermethoden in Gefängnissen wie denjenigen in Guantánamo Bay. Das «Spiegel»-Magazin berichtete von muslimischen Gefangenen, die tagelang ohrenbetäubendem Heavy-Metal und den Songs des Rappers Eminem ausgesetzt wurden. Musik, die andernorts durchaus ihre Anhänger hat, ihre Fans. Böse Musik ist das nicht. Aber von einer Macht missbrauchte.
Von der Nazi-Musik zur Europahymne
Ähnlich verhält es sich mit Wagner, dessen Musikdramen noch heute für viele mit äusserst unguten Assoziationen verbunden sind. Dass Hitler neben «Lohengrin» auch für die Operetten Franz Léhars schwärmte, wird dabei gerne übersehen. Und Beethoven? Seine Neunte liess Hitler vor versammelter Nazi-Riege in Berlin spielen, Furtwängler am Pult, der Chor jubelt «Alle Menschen werden Brüder». Dieselbe Neunte ist heute Europahymne.
Böse Musik ist missbrauchte Musik. Das Böse entsteht in der gezielten Beeinflussung durch Musik. Es steht ausserhalb der Tonwelt. Dabei muss solche «böse» Musik nicht schlecht sein, die Kompositionen oder Songs sogar positiv konnotiert.
«Revolutions»-Songs der Neo-Nazis
Besonders perfid ist es, wenn solche Konnotationen als Tarnschild fungieren. Wenn Jugendlichen in einer Schule CDs verteilt werden mit «Revolutions»-Songs. Fetzigen Nummern, die, dem Alter ihrer Hörer angemessen, auch musikalisch den Wunsch nach Freiheit und Aufbruch bedienen. So geschehen in einer Schule in Deutschland. Wochen später kurvten Vertreter rechtsradikaler Organisationen durch die Dörfer. Mit Propagandamaterial und genau denselben Songs, die auch auf ihrer «Schulhof»-CD zu hören waren: gute, oder immerhin keine schlechte Musik. In ihrer Wirkung aber fatal.