Beim Komponistennamen Bach denken wir heute zuerst einmal an Johann Sebastian Bach, den grossen Meister des Kontrapunkts. Das war aber nicht immer so: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stand der Name Bach nicht für Johann Sebastian, sondern für seinen Sohn Carl Philipp Emanuel. Er war der bekannteste und erfolgreichste der Bachsöhne, und seine Zeitgenossen schätzen ihn sogar höher ein als seinen Vater.
Am Hofe von Friedrich dem Grossen
Früh schon erhält Carl Philipp Emanuel Klavier- und Kompositionsunterricht vom Vater, seinem einzigen Lehrer. Er emanzipiert sich aber bald vom väterlichen Vorbild und beginnt seinen ganz persönlichen Stil, seine eigene musikalische Handschrift zu entwickeln. Nur wenige seiner frühen Klavierkompositionen sind allerdings erhalten geblieben. Im Alter hat er sie grösstenteils verbrannt.
Als 24-Jähriger bekommt Carl Philipp Emanuel Bach die begehrte Stelle des Hofkomponisten und Cembalisten am Hofe von Friedrich dem Grossen in Potsdam. Der musikliebende König versammelt an seinem Hof die prominentesten Komponisten, seine Kapelle ist mit über 40 Musikern eine der grössten in ganz Preussen und geniesst einen exzellenten Ruf.
Genialer Klavierspieler
Bach begleitet den König, der ein begeisterter Amateurmusiker ist, beim Flötenspiel und schreibt für ihn Musik voller Eleganz und Esprit. Und hier in Berlin entsteht auch sein berühmter «Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen»; ein Lehrbuch, in dem sich Bach mit musiktheoretischen und musikpraktischen Fragen auseinandersetzt, die weit über die Klaviermusik hinausgehen. Er gibt damit einen Leitfaden zum richtigen Musizieren in einer Zeit des ästhetischen Umbruchs in der Mitte des 18.Jahrhunderts.
Bach schafft sich in den Berliner Jahren den Ruf eines genialen Klavierspielers, der durch faszinierendes Improvisieren, durch ein freies Fantasieren sein Publikum begeistert. Er verbindet starke Einfälle, kompositorische Erfahrung und formale Freiheiten.
Doch während er sich musikalisch ständig weiterentwickelt, bleibt der Geschmack des Königs über die Jahre hinweg unverändert konservativ. Friedrich empfindet die Musik von Carl Philipp Emanuel Bach zusehends als zu progressiv, und dieser fühlt sich dadurch in seinen Entwicklungsmöglichkeiten eingeengt.
Auf in die Hansestadt Hamburg
1768, nach fast 30 Jahren im Dienst von Friedrich dem Grossen, erhält Carl Philipp Emanuel Bach das Angebot, die Stelle des städtischen Musikdirektors in Hamburg zu übernehmen. Er zögert nicht, den königlichen Hof in Potsdam zu verlassen und das Amt in der aufstrebenden bürgerlichen Handelsmetropole anzunehmen.
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Dort bewegt er sich in einem stimulierenden kulturellen Umfeld, verkehrt in aufklärerischen Kreisen mit Künstlern und Literaten und kann das soziale und kulturelle Leben der Stadt mitgestalten. Bach gilt als gesellig und humorvoll, ist ein leidenschaftlicher Sammler von Musikerportraits und bewegt sich gerne in der bürgerlichen Gesellschaft.
Vorbild für Mozart und Beethoven
Carl Philipp Emanuel Bachs Werke treffen in Hamburg auf grosse Resonanz, sie werden publiziert und sind auch kommerziell ein Erfolg; obwohl Bach sich auch beklagt, es gebe zu wenige «echte Kenner» der Musik. Bach gilt in der Hansestadt bald als musikalische Leitfigur. Und auch der englische Musikgelehrte Charles Burney, der Bach besucht, schätzt ihn nicht nur als «den besten Clavierspieler», sondern auch als den grössten Komponisten für Tasteninstrumente.
Bach stirbt im Alter von 74 Jahren in Hamburg und wird auch nach seinem Tode noch hoch verehrt, vor allem von Komponisten der nachfolgenden Generation: Mozart, Haydn und Beethoven sind von ihm beeinflusst, sogar noch der junge Mendelssohn. Dann jedoch verblasst sein Ruhm, der «Hamburger Bach» gerät zusehends in Vergessenheit.
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wird er wiederentdeckt. Heute gilt Carl Philipp Emanuel Bach als der vielleicht bedeutendste Vertreter der Übergangsepoche zwischen Barock und Klassik.
«Den Zuhörer in Leidenschaft versetzen»
Bach fordert Gefühlsausdruck in der Musik und zeigt sich darin als Zeitgenosse der Epoche der Empfindsamkeit: «Man muss aus der Seele oder Empfindung die Finger gleichsam reden lassen, um den Zuhörer in Leidenschaft zu versetzen, die der Komponist zu erregen gesucht hat.» Und immer will er die Empfindungen der Zuhörer ansprechen. «Mich deucht, die Musik muss vornehmlich das Herz rühren». Das schafft seine Musik auch heute, nach 300 Jahren immer noch – durch ihre Einzigartigkeit, ihre Leidenschaft, ihre sprühende Fantasie.