Sie kennen den Namen Thelonious Monk? Natürlich! Das ist doch der Pianist mit den merkwürdigen Sonnenbrillen, Hüten und Kompositionen. Sie kennen den Namen Charlie Rouse nicht? Eben! Das ist der mit dem Tenorsaxophon neben Monk. Ein Tenorsaxophon allein reicht nicht, um berühmt oder legendär zu werden – spiele es einer noch so gut.
Rouse machte nie Dienst nach Vorschrift
Wobei in diesem Fall nichts gegen Thelonious Monk gesagt sei, der ist ein wahrer Koloss in der Jazzlandschaft. Charlie Rouse war es nicht. Er war ein bescheidener, freundlicher und dienender Musiker. Bösartigerweise könnte man ihn deshalb als musikalischen Bürolisten bezeichnen, aber im Unterschied zu diesem leistete Rouse nie Dienst nach Vorschrift, sondern lieferte immer höchste Kunst. Nur merkten das leider die wenigsten Jazzhörerinnen und -hörer, und deshalb hat es Rouse nicht weiter als zum «Unsung Hero» gebracht.
Die Verbindung der beiden Namen Thelonious Monk und Charlie Rouse ist natürlich keine Zufällige. Charlie Rouse war während mehr als zehn Jahren – länger als jeder andere – Monks Saxophonist. Und er war wahrscheinlich der beste, den der grosse Eremit je hatte. Dies, obwohl einige Giganten vor ihm den Posten innehatten: Sonny Rollins etwa oder John Coltrane.
Rouse und Routine gab es nicht
Charlie Rouse hat wohl am genausten begriffen, wie Thelonious Monks vertrackte Kompositionen funktionieren, wie sie zu spielen, und vor allem, wie über sie zu improvisieren sei. Er studierte die Stücke mit dem Meister selbst ein. In einem seiner raren Interviews erzählt er, wie das ging: Man bekam Noten – oder auch nicht. Auf jeden Fall spielte man das neue Stück «for a couple of hours», ein paar Stunden lang also, allein, bis es quasi im Stammhirn sass. Und erst dann spielte man gemeinsam.
Thelonious Monk hat rund 70 Stücke geschrieben, Charlie Rouse hat 45 davon aufgenommen. Monk führte seine Kompositionen oft über lange Zeit in seinen Konzerten auf, Rouse muss einige davon hunderte Male gespielt haben. Trotzdem, das belegen Aufnahmen, gelang es ihm immer wieder, der Routine zu entfliehen, und sich etwas Neues und Unerwartetes einfallen zu lassen. Und dies, obwohl er bei seinen Improvisationen die ursprüngliche Melodie nie aus den Augen verlor und sich bemühte, sie immer wieder durchscheinen zu lassen. Auch Rouse konnte mit Virtuosität beeindrucken, aber er tat es nur dann, wenn es ihm musikalisch sinnvoll erschien. Also fast nie.
Rouse klang nie einfach nur glatt
Ein anderer Grund für die fehlende Aufmerksamkeit für Charlie Rouse dürfte gewesen sein, dass er nie glatt oder geschliffen oder lieblich klang. Sein Ton hatte immer etwas Heiseres, Raues, vielleicht gar Säuerliches – weit weg jedenfalls vom Allerweltssound vieler anderer Saxophonisten.
Vor 26 Jahren starb Charlie Rouse, der «Unsung Hero». Er wird es nicht mehr schaffen, besungen zu werden. Jazzhörerinnen und -hörer aber, die sich von ihm bespielen lassen, werden grosse Freude daran haben.