An den Moment des ersten B.B. King-Solos im eigenen Leben erinnert sich jeder Gitarrist etwa so präzise wie an die Anzahl der Saiten auf der Klampfe. Als ich diese Supervibrato-Töne zum ersten Mal hörte, die die Membrane des Lautsprechers erschütterten, fiel ich fast vom Stuhl. Es war «How Blue Can You Get», live.
Der fette Ton der schwarzen «Lucille»
Da singt B.B. vom Leid mit seiner Luxus-Tussi: Ein schickes Nachtessen verdankt sie mit «Thanks For The Snack». Einen brandneuen Ford kaufte er ihr, sie will einen Cadillac. Sein Penthouse ist für sie eine schäbige Hütte. Sieben Kinder schenkte er ihr, und jetzt ... – will sie die alle zurückgeben. Kreischen, Applaus im Publikum.
Wie kann man diese Blues-Pointe noch toppen? Genau. Mit jenem fetten Ton, der dir sagt: Es klingt wie ein Witz, aber ich meine es bitterernst. Genau das tat die schwarze «Lucille» in B.B. Kings Händen. Sie klagte mit einer derart anmutigen Stimme, dass man sie und ihren teddybärähnlichen Besitzer am liebsten trösten wollte.
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Gitarrengötter von B.B. King
Dieses Erlebnis mit B.B. Kings herzergreifenden Ton hatten Generationen von Gitarristen. Während sie ein Loblied auf den «King of Blues» sangen und Schlange standen, um mit ihm Duette aufzunehmen, schüttelte er ungläubig den Kopf.
Er hatte T-Bone Walker bewundert, den Elektro-Pionier mit den messerscharfen Single Notes. Er liebte die schwebenden Slide-Klänge seines Cousins Bukka White (daher sein Vibrato). Von Robert Lockwood Jr., dem Stiefsohn des Delta Blues-Giganten Robert Johnson, erhielt er Lektionen in Präzision («Because his timing was apeshit», wie Lockwood einmal verriet). Bis ins hohe Alter war Andres Segovia sein persönlicher Gitarrengott.
«Ich bin alt, fett und spiele den Blues»
Ich hatte die Gelegenheit, ihm meine Verblüffung über dieses Idol selbst mitzuteilen. Bei einer Begegnung mit dem «King of Blues» in der Garderobe des Hallenstadions (ich ausnahmsweise in Hemd und Anzug). «Was ist denn daran so unverständlich?» fragte er. Na, ganz einfach: «Alle Welt sucht ziemlich vergeblich das Geheimnis des einen, fetten Tons» – das tat auch ich, der Bewunderer und (in jüngeren Jahren) ernsthafte Gitarrist.
B.B. King gluckste vor Lachen: «Das ist, weil du jung, gross und schlank bist. Ich bin alt, fett und spiele den Blues». Dass er sich verkniffen hatte, die Worte «schwarz» und «weiss» zu gebrauchen, fiel mir erst hinterher auf.