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Musik Dirigent Nikolaus Harnoncourt: Mozart und Bach lachen sich schief

Die Noten hätten ihm immer etwas anderes gesagt, als das, was er spielen und hören musste im Orchester der Wiener Sinfoniker. Der Cellist und Dirigent Nikolaus Harnoncourt gründete darum 1952 sein eigenes Ensemble und veränderte damit die Musikwelt nachhaltig.

Wien, 1950er-Jahre. Im Orchester der Wiener Symphoniker spielt ein junger Cellist adeliger Herkunft: der am 6. Dezember als Johannes Nicolaus Graf de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt in Berlin geborene Nikolaus Harnoncourt.

In dem Orchester herrscht die Maxime des geglätteten Wohlklangs, geprägt von Herbert von Karajan. Nach einer Aufführung von Mozarts später g-Moll Sinfonie schmeisst Harnoncourt das Handtuch. «Ich bin aufgrund dieser g-Moll-Sinfonie vom Orchester weggegangen. Es war so schlimm. Ich habe sie 50 mal gespielt und habe nie das Erlebnis gehabt, was mir die Noten gesagt haben, sondern immer ein Gegenteiliges», sagte Harnoncourt.

Sendehinweise

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Sondersendungen anlässlich des Todes von Nikolaus Harnoncourt:

  • «Echo der Zeit», 6.3.2016, 16:00 Uhr.
  • «Nicolaus Harnoncourt - eine Reise ins Ich», 6.3.2016, 21:30 Uhr auf SRF Info.
  • «Kultur kompakt», 7.3.2016, 6:50 Uhr und 17:00 Uhr
  • «Parlando», 7.3.2016, 15 Uhr.
  • «Kontext», 10.3.2016, 9:02 Uhr.
  • «Im Konzertsaal» , 10.3.20 Uhr.

Anders, richtiger aufführen

Bereits in seiner Zeit als Cellist der Wiener Symphoniker gründete Harnoncourt sein eigenes Orchester, den Concentus Musicus Wien. Ein Ensemble, das sich die Mission gab, mit Instrumenten der jeweiligen Zeit und durch kritisches Befragen der Partituren auf ihren historischen Kontext die Musik des Barock und der Klassik anders, richtiger aufzuführen. Diese Art historischer Aufführungspraxis wurde damals als ungewohnt wahrgenommen und bisweilen belächelt. Heute ist sie, dank Pionieren wie Nikolaus Harnoncourt, eine Selbstverständlichkeit geworden.

Volle Gewissheit, wie die Musik eines Bach oder Mozart zu deren Zeit geklungen und gewirkt haben könnte, hatte indes auch ein Harnoncourt nicht. «Selbst wenn wir uns noch so bemühen, die Noten, die Bach oder Mozart geschrieben haben, auszulegen, wie sie damals verstanden wurden, ist das unmöglich. Das kann man gar nicht. Die Komponisten würden sich schieflachen», sagt Harnoncourt.

Im Dezember 2015 gab Harnoncourt in einem Brief den Abschied von seinem Orchester bekannt. Aus gesundheitlichen Gründen. Er schrieb: «Meine körperlichen Kräfte gebieten eine Absage meiner weiteren Pläne.» In seinen 50 Jahren unter Harnoncourt hatte der Concentus Musicus den Bogen ausgeschritten von der Musik Claudio Monteverdis über diejenige Bachs und Mozarts bis hin zu Schubert oder Beethoven. Seine letzte Aufnahme mit dem Concentus, die Sinfonien Vier und Fünf von Ludwig van Beethoven aus dem Jahr 2015, sind daher so etwas wie Harnoncourts musikalisches Testament. Einen Nachfolger von Harnoncourt als Dirigent des Concentus gibt es nicht.

Ungehörte Klänge freilegen

Doch nicht nur mit seinem eigenen Orchester, sondern auch mit anderen, traditionelleren Klangkörpern wie dem Concertgebouworkest Amsterdam oder den Berliner und Wiener Philharmonikern arbeitete Harnoncourt und verlieh diesen Orchestern damit entscheidende Impulse in der Aufführungspraxis. Harnoncourt hinterlässt eine grosse Reihe von Einspielungen, die seine Bandbreite als Musiker bestens dokumentieren.

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So machte er nämlich nicht bei den Grenzen der so genannten Alten Musik halt, sondern dirigierte auch Musik von Anton Bruckner, Béla Bartók oder George Gershwin. Werke, die er stets auf ihren Gehalt durchleuchtete und die bei ihm meist anders als gewohnt klangen. Mit seinem auf Transparenz angelegten Dirigierstil vermochte Harnoncourt stets noch ungehörte Klänge freizulegen und damit dem Hörer neue Bedeutungsschichten zu erschliessen.

In der Schweiz wirkte Harnoncourt unter anderem am Opernhaus Zürich, wo er ab 1975 mit einem Zyklus der Opern Claudio Monteverdis Furore machte und später auch Mozart oder Verdi dirigierte. Ebenso war Harnoncourt ein gern gehörter Gast am Lucerne Festival, wo er mit dem Chamber Orchestra of Europe in den 1990er-Jahren einen Schumann-Zyklus zeigte, der massgeblich zur Neubewertung dieses Komponisten beitrug.

Bei aller Akribie in der Lektüre und allem Furor in der momentanen Gestaltung und Verschmelzung mit dem Werk wusste Harnoncourt doch um die Grenzen des Wirkens wohl jedes Musikers. In einem Interview mit Radio SRF sagte er 2014: «Es ist ein wesentlicher Bestandteil jeder grossen Kunst, dass ein Geheimnis um das Werk bleibt.»

Sendung: SRF 4 News, Nachrichten, 6.3.2016, 14:00 Uhr.

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