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Musik Dirigentinnen erobern sich ihren Platz am Pult

Frauen am Pult sind noch immer in der Minderzahl. Dirigentinnen, die grosse Orchester leiten, sind aber unterdessen keine Ausnahme mehr. Für ihre Karriere braucht es Können, Glück – und oft einen Mentor.

Gerecht ist anders. Es gibt immer noch viel zu wenige Dirigentinnen, die musikalisch das Sagen haben. Die meisten grossen Orchester werden noch immer von Männern geleitet.

Selbst die beiden Orchester des Lucerne Festival, das sich dieses Jahr das Motto «Prima Donna» verschrieben hat, stehen unter männlicher Führung. Aber der Prozess, der diese männliche Vorherrschaft am Dirigierpult beendet, ist am Laufen. Dirigentinnen sind kein Exotikum mehr.

Emmanuelle Haïm
Legende: Emmanuelle Haïm lässt sich von Hindernissen nicht aufhalten. Lucerne Festival/Marianne Rosenstiehl

Vom Orchester aufgefordert

Emmanuelle Haïm zum Beispiel sorgt mit ihrem eigenen Ensemble «Le Concert d’Astrée» in der Barockmusik für Furore. Haïm entgegnet einem auf die Frage, ob sie als Frau je auf Hindernisse gestossen sei, selbstbewusst: «Wenn ich will, dass etwas passiert, dann passiert es auch.»

Über das Cembalo und über Aufgaben als Korrepetitorin und musikalische Assistentin ist sie zum Dirigieren gekommen. Ganz natürlich hat sich dieser Weg für sie ergeben. Nicht zuletzt, weil sie von ihrem Orchester geradezu zum Dirigieren aufgefordert wurde.

Mittlerweile wird sie in ihrer Kompetenz als Barockspezialistin bestärkt durch Anfragen anderer Ensembles. Darunter, mehrfach bereits, die Berliner Philharmoniker und die Wiener Philharmoniker.

Unterwegs mit Top-Orchestern

Gut, mögen da einige einwenden: Braucht es den Dirigenten, die Dirigentin überhaupt in der Barockmusik? Historisch korrekt wäre für die Musik jener Zeit eigentlich die Leitung vom Cembalo oder allenfalls von der ersten Geige aus.

Nehmen wir deshalb noch ein anderes Beispiel: die Estin Anu Tali. Auch sie gründete ihr eigenes Ensemble, die Northern Symphony, vor knapp 20 Jahren. Heute ist Tali als Dirigentin mit Top-Orchestern weltweit unterwegs, wie etwa dem Deutschen Sinfonieorchester Berlin oder dem Houston Symphony Orchestra.

 Anu Tali mit Dirigierstock.
Legende: Anu Tali brachte es dank ihrem Talent sehr weit, war jedoch auch auf wohlwollende Mentoren angewiesen. Lucerne Festival/Erik Riikoja

Gelernt bei Legenden

Wer Tali beim Dirigieren zusieht, merkt: Hier hat jemand den Durchblick. Da wird kein Einsatz verpasst. Da werden Steigerungen oder plötzliche Piani dem Orchester von gekonnter Hand und mit klar verständlicher Körpersprache angezeigt.

Tali hat bei den Dirigier-Legenden Ilja Mussin und Jorma Panula studiert – und das merkt man ihr auch jederzeit an. Offen ist, ob sie selbst dereinst eine solche Lehrposition einnehmen wird.

Sendehinweis

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Weltklasse auf Radio SRF 2 Kultur sendet das Konzert mit Mirga Gražinyte-Tyla und Anu Tali vom Lucerne Festival: am 28. August 2016 um 22:06 Uhr.

Kompetenz allein genügt nicht

Nebst aller Kompetenz sind es Agenten und Mentoren, die im Hintergrund an solchen Karrieren mitwirken. Offen gibt die Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla zu, dass ihr mit Kurt Masur eine solche Mentorenpersönlichkeit entgegengekommen ist.

Im Frühling 2016 ist sie zur Chefin des City of Birmingham Symphony Orchestra berufen worden – in der Nachfolge des Dirigierstars Andris Nelsons.

Schweiz hat Aufholbedarf

Daneben spielen aber auch die grossen Orchester und deren Verantwortliche entscheidend mit, wenn es um die Frage der Frau am Pult geht. Die scheint hierzulande noch ungelöst. In der Schweiz etwa sind zurzeit sämtliche grossen Sinfonieorchester fest in männlicher Hand.

Immerhin lädt das Tonhalle-Orchester Zürich in der anlaufenden Saison zwei Frauen zu Dirigaten ein: die Mexikanerin Alondra de la Parra, sowie die Dirigentin und Sängerin Barbara Hannigan.

Das Sinfonieorchester Basel leistete sich mit Julia Jones als erstes Schweizer Orchester einen weiblichen Vorstand. Wenngleich auch «nur» für den Bereich Oper.

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