Muss fromm sein, wer Kirchenmusik schreiben soll?
Lukas Langlotz: Zumindest sollte man sich interessieren für Liturgie und Gottesdienst. Und man sollte sich in irgendeiner Weise verbunden fühlen mit der Kirche. Sonst hätte auch ich den Auftrag nicht angenommen. Ich würde mich aber nicht als «fromm» (lacht) bezeichnen. Ich bin eher ein Suchender. Spiritualität – mir fällt kein besseres Wort ein – ist mir wichtig und auch ein Antrieb, Musik zu komponieren. In der Kirche fühle ich mich als Komponist ernst genommen. Dort darf ich nämlich meine Musik in einen Kontext stellen, der von sich aus schon nach Tiefe fragt.
Bei Kirchenmusik haben wir es mit einem Gesamtwerk zu tun, das über Jahrhunderte gewachsen ist: von Palestrina über Bach bis Bruckner. Was braucht es da heute anderes?
Tatsächlich haben wir da wunderbare Kirchenmusik. In ihrer Entstehungszeit war sie auch lebendig, aufrüttelnd und fremd. Johann Sebastian Bach etwa erzürnte mit seinen neuartigen Chorälen und den Halbtonschritten darin die Kirchgemeinde. Eigentlich geht es immer um dasselbe wichtige Thema: Musik im Gottesdienst soll nicht nur ein Accessoire sein, sondern Teil des «Gesamtkunstwerks Gottesdienst». Da gehören Texte, Gerüche, Farben, der Raum und eben der Klang dazu. Als Komponist kann ich den Klang nun so einsetzen, dass er bei den Menschen zu tiefen und ernsten Erlebnissen führt. Ja, das soll in die Tiefe gehen.
Sie haben bereits geistliche Musik komponiert, etwa eine Missa Nova, in der Sie die traditionellen Teile einer Messe gleichsam durchkomponieren. Was war Ihnen dabei wichtig?
Ich bin ursprünglich Katholik und fühle mich mit vielen Dingen und Texten aus dieser Tradition nach wie vor verbunden. Hier wollte ich mich nun auch ganz bewusst mit jenen Glaubensätzen und Dogmen auseinandersetzen, mit denen ich meine Mühe habe. Kurzum: Missa Nova war eine kompositorische Auseinandersetzung mit meiner katholischen Vergangenheit und mit einem zentralen Text daraus.
Sie komponieren anspruchsvolle, zeitgenössische Musik. Die ist nicht immer eingängig oder gar «wohlgefällig». Wie gefällig darf oder muss Kirchenmusik 2015 sein?
(lacht) Der Begriff «Gefälligkeit» gefällt mir nicht. Ich möchte ja keine Unterhaltungsmusik machen in der Kirche. Ich möchte Musik schreiben, die substantiell etwas hergibt. Eine Musik, die vielleicht auch fremdartig wirkt und mich als Mensch woanders hinbringt. Wer einen Gottesdienst besucht, der begibt sich ja auch bewusst in einen anderen Raum. Das heisst nicht, dass die Musik nicht auch «schön» oder meditativ sein kann. Aber eben nicht auf die Mainstream-Weise, wo man sich einfach zurücklehnt, einlullen lässt, und alle Sorgen sind dahin. Nein. Kirchenmusik muss etwas sein, das mich im Innersten berührt. Wenn mir das als Komponist gelingt, bin ich sehr glücklich.
Im Alltag ist ja nun aber Kirchenmusik Laienmusik. Da singen Laien im Gottesdienst. Kann eine normale Kirchgemeinde das überhaupt singen, was Sie komponieren?
Die Gemeinde habe ich in meinem neuen Werk für den ökumenischen Abschlussgottesdienst am Sonntag so eingebaut, dass sie in Teile der Komposition einstimmen können, gerade beim Vaterunser oder bei den Fürbitten. Es soll ja kein Konzert sein, sondern ein Gottesdienst, an dem alle mitwirken.
Könnten Sie sich vorstellen, einmal ein ganz einfaches Kirchenlied zu komponieren?
Also ein Gemeindelied, das man so nachpfeift, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Aber vielleicht einmal eine Anlage für einen Gottesdienst. Der Gemeindegesang muss ja nicht immer auf einem Text basieren. Ein gesungener Ton kann doch auch ein Gebet sein. Die Arbeit an meinem neuen Werk hat da bei mir einiges in Bewegung gebracht. Ich werde sicher dran bleiben an der Kirchenmusik.