Die US-Amerikanerin Renee Rosnes ist Jazzpianistin, und sie ist eine Frau. Gleiches gilt für Anke Helfrich: eine Deutsche, ebenfalls Pianistin. Die beiden machen Jazz, den man eigentlich mit Grossbuchstaben schreiben müsste. Er ist kompetitiv und virtuos. So geht Jazz, der auch mal Muskeln zeigt.
Es gibt nicht viele Musikerinnen wie Renee Rosnes und Anke Helfrich. Bei den Tasteninstrumentalistinnen fallen einem gerade noch Geri Allen und JoAnne Brackeen ein. Und Frauen, die mit einem Blasinstrument unterwegs sind, sind noch seltener: Die Trompeterin Ingrid Jensen und die Saxophonistin Tia Fuller sind allein auf weiter Flur.
Auf dem Feld der freien oder frei improvisierten Musik sind die Frauen doch etwas zahlreicher. Allein in der Schweiz sind mit Irène Schweizer, Co Streiff und Gabriela Friedli drei höchst spannende Musikerinnen am Arbeiten. Warum ist das so? Weshalb finden wir im Jazz kaum ernstzunehmende Instrumentalistinnen?
Brutale Konkurrenz
An der Härte des Konkurrenzkampfs kann es nicht liegen. Denn derjenige unter jungen klassischen Geigerinnen oder Pianistinnen ist um vieles mörderischer. An der Anzahl der nötigen Übungsstunden auch nicht. Die Anforderungen sind überall unendlich hoch.
Ein Grund könnte die kritische Masse sein: Eine einzelne Frau unter Männern fühlt sich vielleicht unwohl. Wenn das Verhältnis gegen 50/50 steigt, wird der Umgang untereinander selbstverständlicher, und mehr junge Frauen steigen ein. Noch anfangs der 1980er-Jahre brach wegen der Klarinettistin Sabine Meyer bei den Berliner Philharmonikern ein hässlicher Streit aus. Heute ist zumindest ein Sechstel des Orchesters weiblich.
Role Models
Und wie ist es mit Vorbildern? Wer sind Jazzmusikerinnen, die einer jungen Frau heute als Beispiel dienen können? Es gibt nicht viele. Aber diejenigen, die als Vorbilder dienen könnten, sind umso eindrücklicher. Angefangen mit Lil Hardin Armstrong, der Frau, die half, Louis Armstrong zu dem zu machen, was er wurde: Einer der grössten Musiker aller Zeiten! Oder Mary Lou Williams, die in ein paar der besten Bands der Swing-Ära die Zügel straff in der Hand hatte. Wie wär's mit Carla Bley? Oder Toshiko Akiyoshi, oder Maria Schneider?
Oder eben Renee Rosnes. Seit 30 Jahren ist sie hochbegehrte Sidewoman, Cracks wie Joe Henderson und Wayne Shorter holten sie in ihre Band. Sie hat 15 Alben unter eigenem Namen gemacht, und engagierte dafür immer die allerbesten ihres Fachs, seien es nun Männer oder Frauen.
Um gut Jazz zu spielen, braucht es viele Qualitäten: Können, Fleiss, Flexibilität, Spontaneität, Fantasie und Empathie. Und ja, Ehrgeiz gehört auch dazu. Aber das ist ja keine ausschliesslich männliche Eigenschaft!