Vor sieben Jahren hat alles angefangen. Der kleine Genfer Live-Club «Cave12» bietet dem Trompeter Raphaël Anker eine Carte Blanche an. Dieser stellt dafür mit befreundeten Musikern (Cyril Moulas, Luc Detraz, Alex Rodrigues, Julien Israelian) eine neue Formation zusammen: das «Imperial Tiger Orchestra».
Zu jener Zeit hört Raphaël Anker bereits verschiedene afrikanische Musik. Die Emotion, die in der äthiopischen Musik liegt, hat es ihm besonders angetan. Da das Publikum vor allem west- und südafrikanische Musik kennt, bietet sich die Gelegenheit etwas Spezielles zu tun.
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Lebendiger Schmelztiegel in Äthiopien
In der «goldenen Zeit» der äthiopischen Musik Anfang der 1970er-Jahre explodierte die äthiopische Musikkultur förmlich. Jazz, Soul und Funk hielten Einzug in der Hauptstadt Addis Abeba. Sie vermischten sich mit den ethnischen Musikstilen. Insbesondere der Musiker Mulatu Astatke trieb diese Entwicklung voran und kreierte so den Ethio-Jazz. Diese Blütezeit musste aber 1974, mit der Machtübernahme des neo-stalinistischen Militärregimes, einen herben Schlag einstecken. Westliche Musik war unerwünscht, das Nachtleben wurde unterbunden und die Schallplattenproduktion später gänzlich gestoppt.
Durch den Verdienst des französischen Labels «Buda Musique», das die Aufnahmen dieser Zeit aufspürt und auf Compilations veröffentlicht, erlebt die «goldene Zeit» eine Renaissance. Dank des «Imperial Tiger Orchestra» und einer Handvoll anderer Bands rund um den Globus (Akalé Wubé / Paris, Budos Band / USA, The Shaolin Afronauts / Australien), geht es über das Nostalgische hinaus. Sie bringen diese Musik zurück auf die Bühne und machen sie zeitgemäss.
Keine typische Cover Band
Das «Imperial Tiger Orchestra» ist eine Cover Band und verspürt nie den Drang Eigenkompositionen im Ehio-Jazz-Stil zu schreiben. Es geht bei ihnen schliesslich nicht um einen Wiedererkennungseffekt, wie vielleicht bei einer herkömmlichen Coverband. Auch mit ihren Arrangements bleiben die Tiger so nah wie möglich am Original. Lediglich bei der Instrumentierung ist man offener. Sie hüllen die teils 40-jährige Musik in ein neues Gewand mit modernen Effekten, modernen Synthesizerklängen und Samplern – ohne sie allzu sehr zu verfremden. Denn auch schon in den 1970ern waren in Äthiopien Keyboards und Gitarreneffekte willkommen.
Das Repertoire stammt nicht selten von alten kopierten Kassetten, die jemandem in die Finger kommen. Oft sei es sogar schwierig den Urheber und Interpreten herauszufinden.
Reisen ans Horn von Afrika
Als Voraussetzung, um diese Musik authentisch wiederzugeben, sieht das «Imperial Tiger Orchestra» ihre Reisen ans Horn Afrikas. Dort lernen sie verschiedene Volksgruppen mit ihren spezifischen Rhythmen und Tonleitern kennen und beschäftigen sich eingehend mit ihren Traditionen. Dabei stossen sie immer wieder auf viel Begeisterung von den Äthiopiern; darüber, dass eine Schweizer Band ihre Musik spielt.
Das derzeit fünfköpfige «Imperial Tiger Orchestra» besteht ausschliesslich aus Romands und Franzosen. Mit ihnen auf der Bühne stehen aber zwei professionelle äthiopische Tänzer, die nicht nur «Dekoration» sind, sondern einen aktiven Part in der Musik übernehmen, und teils sogar dirigieren. Das verleiht dem ganzen Projekt eine zusätzliche Glaubwürdigkeit – nebst dem, dass diese Band unglaublich gut harmoniert und groovt, als gäbe es kein Morgen.