1984, als das Festival Taktlos seine erste Ausgabe erlebte, wurden die Bands noch auf eine kleine Schweizer Tournee geschickt, mit Stationen in Zürich, Basel und Bern, drei Festivals also. Irène Schweizer war damals das Aushängeschild und sozusagen die Gastgeberin. Zu Gast waren beispielsweise Musiker aus der damaligen BRD (Peter Kowald, Paul Lovens) und der DDR (Conny Bauer, Günter Sommer), die da eine gute Gelegenheit fanden, sich zu treffen.
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Auch sonst war vieles noch anders, zum Beispiel das kulturpolitische Klima: Die 80er-Unruhen hatten eben erst die Zürcher Jugend auf die Strasse und das Opernhaus fast zum Einstürzen gebracht. Die Einsicht, dass nicht nur die Hochkultur mit Opern-, Schauspiel- und Kunsthäusern unterstützungswürdig seien, war zumindest in der Politik neu. Die Rote Fabrik war ein weithin sichtbares Zeichen dafür.
Nicht mehr die Welt auf den Kopf stellen
30 Jahre später ist die Musik des Taktlos nicht mehr ganz so waghalsig, der Mainstream ist breiter geworden. Das hat einerseits mit den Zuhörern zu tun: Wir alle sind 30 Jahre älter geworden. Und so wie es heute mehr braucht als etwas nackte Haut, um einen Opernskandal zu entfachen, erschreckt frei improvisierte Musik kaum mehr.
Und auch die Organisatoren des Festivals – ja, der Kopf ist immer noch der gleiche: Fredi Bossard – sind älter geworden: Mit den Jahren fanden zunehmend Musikerinnen und Musiker Eingang ins Programm, die kaum den Anspruch haben, die Welt auf den Kopf zu stellen. Sondern die einfach gescheite, durchdachte und gut gespielte Musik machen wollen.
Die musikalische Mischung macht’s
Die Saxophonistin Nicole Johänntgen etwa, die dieses Jahr am Eröffnungsabend spielt, kommt von der Fusion-Musik her – früher wäre das zumindest ein Makel, wenn nicht ein Stigma gewesen. Oder der finnische Pianist IIra Rantala, der Bewunderer weit über den Jazzkuchen hinaus hat. Und der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer, der fast ein Star zu nennen ist.
Schlussendlich setzt das Festival auf die musikalische Mischung, und die ist dazu angetan, ein breites musikinteressiertes Publikum anzulocken. Hemmungen, die Schwelle der Roten Fabrik zu überschreiten, sollte man nicht haben: Deren etwas in die Jahre gekommene, muffige Atmosphäre ist ob der Farbigkeit der gebotenen Musik schnell ausgeblendet.