Während Hitlers klassischer und entschieden rückwärtsgewandter Musikgeschmack für das «Dritte Reich» massgeblich wurde, förderte Mussolini das für seine Epoche zeitgenössische Musikschaffen. Der italienische Faschismus nutzte auch die Musik für seine Propaganda – beschnitt sie aber nicht auf den persönlichen Geschmack des Diktators. Das macht die Studie «Musik und Musikwissenschaft im Umfeld des Faschismus» deutlich, die Stephanie Klauk, Luca Aversano und Rainer Kleinertz herausgegeben haben und die im römischen Nationalinstitut für germanistische Studien Villa Sciarra präsentiert wurde.
Avantgardistisches Denken
Der Unterschied zwischen den Regimen im Umgang mit Musik und anderen Künsten erklärt sich aus der Biografie der beiden Diktatoren. Während Hitler alles Moderne und Innovative entschieden ablehnte, galt Mussolini von Beginn seiner – zunächst sozialistischen – Politkarriere an als Freund zeitgenössischer Tendenzen in allen künstlerischen Ausdrucksformen. Das avantgardistische Denken des Futurismus zum Beispiel wurde mit Mussolini quasi zur Staatskunst. Die architektonischen Ideen Bauhaus-Schule stiessen im faschistischen Italien auf fruchtbaren Boden, wurden aber in Deutschland nach 1933 verboten.
Jazz im eigenen Haus
Ein anderes signifikantes Beispiel im unterschiedlichen Umgang beider Regime ist der Jazz. Unter Hitler als «Negerlärm» verboten, bildete sich unter Mussolini eine eigene italienische Schule des Jazz heraus. Mussolinis Sohn Romano wurde einer der bekanntesten italienischen Jazzpianisten. Dass er der Sohn des Diktators war, tat Romanos Nachkriegskarriere keinen Abbruch.
Die vorgelegte Studie behandelt auch den vor allem für Italien interessanten Umgang mit der sogenannten Alten Musik. Der Faschismus förderte ganz gezielt die Erforschung italienischer Renaissance- und Barockmusik. Dabei hatte das Duce-Regime ein genaues propagandistisches Ziel vor Augen: Man wollte nachweisen, dass Italien nicht nur das Land des Bel Canto, der Opern von Verdi und Puccini ist, sondern jene Nation Europas, in der die moderne Musikgeschichte vor etwa 500 Jahren ihren Ausgang nahm. Von dieser propagandistischen Bevorzugung durch das Regime profitierte die italienische Musikforschung.
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Der Fall Wozzeck
Dass Mussolini nicht davor zurückschreckte, sich in Sachen Musik mit seinem Achsenpartner in Berlin anzulegen, beweist der Fall der 1942 im römischen Opernhaus aufgeführten Oper «Wozzeck» von Alban Berg. Hitler gefiel es gar nicht, dass der als «entartet» verunglimpfte Berg ausgerechnet im faschistischen Rom auf die Bühne kam.
Keine Toleranz für Regimekritik
War Mussolini in Sachen Musik also fortschrittlicher als Hitler? Sicherlich war Italiens Duce ganz generell in Kunst und Musik aufgeschlossener und entschieden weniger ausschliessend als Diktator Hitler.
Dieser Unterschied erklärt sich aus den Wurzeln beider Regime: der NS-Staat war ein auch kulturell rückwärtsgewandtes Regime. Das faschistische Italien hingegen sah im Duce-Staat einen Sprung in Richtung Modernisierung. Auch von Kunst und Musik – allerdings nur so lange sie nicht regimekritisch auftraten. War das der Fall, war es sofort vorbei mit der Toleranz Künstlern und Musikern gegenüber.