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Mit Gabeln präpariertes Klavier
Legende: Gabeln runden das präparierte Klavier ab. Susanna Bolle/ commons.wikimedia.org

Musik Neuer alter Trend: Piano Smashing

Zerhackte Klaviere, zerschmetterte Geigen. Was als Filmchen und neues Phänomen im Internet kursiert, hat seine Wurzeln in der Fluxus-Bewegung. Ob es Kunst ist, ist Ansichtssache.

«Piano Smashing» - so heissen Kurzfilme, die neuerdings im Internet auf Videoplattformen wie YouTube kursieren. Und zwar gleich massenweise. Halbwüchsige sieht man darauf, die mit Axt und Brecheisen Klaviere und Flügel zerstören, auf alten Elfenbeintasten herumhacken, die ausgedienten Instrumente zerhacken und zerstören.

Einen solchen Klavier-Kadaver nach einer erfolgreichen Zerstörungsaktion vor sich liegen zu haben, scheint befriedigend zu sein. Wow-Rufe, Lachen und die sichtbare Freude an der Gewalt sind das Zeichen dafür. Und natürlich die Zuschauer-Klicks für solche Filme, die bisweilen in die Tausende gehen.

«Piano Smashing» - Zerstörung als Lust

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Was ist der Grund für solches «Piano Smashing»? Nutzlos sind sie geworden, die Klaviere der Grossmütter und -väter. Platzfresser. Also weg damit. Möglicherweise ist mit der fröhlichen Zerstörung eine Wut auf die bürgerliche Kultur verbunden, für die ein Klavier symbolisch stehen kann. Für das biedere Hausmusizieren. Dabei ist es genau diese Kultur, die die Instrumentenzerstörung als hehre Kunsthandlung längst absorbiert hat: Die Fluxus-Künstler haben es in den 1960er Jahren vorgemacht.

Nam June Paik - Zerstörung als Kunst

Wenn der Musiker und Künstler Nam June Paik eine Geige am Hals hielt, wie ein Schwert über seinen Kopf erhob und, nach minutenlanger Spannung, schliesslich auf eine Tischplatte donnerte, dann war das Kunst. Geschehen 1962 in einer Düsseldorfer Galerie. Paik konnte sein Tun indes auch begründen. Für ihn waren Tod und Leben, Destruktion und Konstruktion die Lebenspole, der Sinn, der wie zwei Brötchenhälften unserer Existenz zusammenhält.

Komponist John Cage als Vorreiter

Mit ihren Aktionen gerieten die Fluxus-Künstler in die Nähe eines Komponisten und Künstlers, dem das Zerstören allerdings fern lag: John Cage. Es ist interessant zu hören, wie Cage mit den Nägeln, Schrauben und Bolzen, die er in sein präpariertes Klavier steckte, eine Vorreiterrolle einnahm. Denn Cage entwickelte sein «Nägel und Schrauben»-Klavier bereits in den 1940er-Jahren, 20 Jahre vor Fluxus. Und: Seine Manipulationen hatten nur vorübergehenden Charakter. Nach einem Konzert konnte der Pianist alle Gegenstände wieder aus dem Instrument entfernen.

Joseph Beuys mit der Axt

Die Fluxus-Bewegung hat noch weitere Künstler hervorgebracht. Georg Maciunas etwa liess, in seinem Piano Piece Nr. 13, Nägel in ein altes Klavier schlagen. Und Joseph Beuys, auch wenn er nicht direkt zu den Fluxus-Künstlern zu zählen ist, hat in einer Galerie in Wuppertal Anfang der 60er Jahre ein «Konzert» gegeben, bei dem er mit Schuhen und einer Axt ein Klavier so lange bespielte, bis dieses auseinanderfiel. Nach seinen eigenen Worten ging es Beuys dabei darum, «einen neuen Anfang anzuzeigen, ein erweitertes Verständnis jeder traditionellen Form von Kunst».

Kunst oder Bashing- der Unterschied für das Instrument

Je nachdem, wie sich ein Klavierzerstörer also legitimiert, ist ein zerhacktes Instrument ein Kunstwerk oder Resultat eines Vandalenaktes. Spannend dabei ist, dass sich auf der akustischen Seite kaum Unterschiede festmachen lassen zwischen einer hehren Kunstzerstörung und dem «Piano Smashing». Und für die malträtierten Instrumente spielt der Kunstanspruch sowieso keine Rolle. Kaputt ist kaputt.

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