Mein erstes Rendezvous mit Stephan Eicher findet in einem Kopfhörer statt – bei 100 Dezibel. In einem improvisierten Studio dresche ich (aka Singha Dee) Schlagzeug-Takes auf Band, begleitet von Eichers Stimme. Valentino Tomasi steht am Mischpult. Der Song heisst «Noise Boys Song» und ist ein Remix für das Tribute Album «Ich möchte ein Eicher sein». Dann verschwindet Eicher wieder aus meinen Gehörgängen.
Ein Mann ohne Scheuklappen
Knapp zehn Jahre später sitze ich in der Regie des Fernsehstudios, und der Sänger aus Münchenbuchsee nimmt neben Moderatorin Sandra Studer Platz. Bei der Mitarbeit an der Sendung habe ich in den Tiefen des Fernseharchivs einen erstaunlichen Zeitgenossen kennengelernt: einen Musiker mit zurückgeschlagenen Scheuklappen, der seit drei Jahrzehnten in Bewegung ist.
Zusammenarbeit mit Grönemeyer und Philippe Dijan
Mit dem Album «Engelberg» (1991) schafft Eicher den internationalen Durchbruch. Er arbeitet mit dem senegalesischen Sänger Ismaël Lô, der rumänischen Gypsy-Band Taraf de Haïdouks oder dem deutschen Pop-Schwergewicht Herbert Grönemeyer zusammen. Er engagiert die Schriftsteller Philippe Djian und Martin Suter für seine Songtexte. Er komponiert Filmmusik und ein Singspiel fürs Schauspielhaus Zürich, produziert Altmeister Tinu Heiniger oder Nachwuchskraft Kutti MC. Egal, in welchem Projekt Stephan Eicher gerade steckt: Was zum Mikrofon reingeht, klingt auf der anderen Seite immer nach Stephan Eicher. Das ist schon bemerkenswert in einem Business, wo Markt-Konformität und Selbst-Recycling gross geschrieben werden.
Höchstes Lob für einen wahren Troubadour
Am klingendsten hat das Yello-Sänger Dieter Meier formuliert: «Eicher ist einer der wenigen wahren Troubadouren des 21. Jahrhunderts. Wer sich in diesem Metier bewegt, läuft Gefahr, in der Tradition verhaftet zu bleiben. Aber Stephan Eicher hat eine wunderbare Brücke in die heutige Zeit geschlagen. Man könnte sagen, seine Musik ist to the future through the past». Wenn das kein Ritterschlag ist.
Souvenirs
Aus der Talk-Sendung nimmt Stephan Eicher übrigens zwei Andenken mit: den Gipsabdruck eines Stinkefingers und eine DVD von «Ueli der Knecht». Soviel zur Wundertüte.