Was für ein Gekreische war das, als Ed Sullivan seinem Fernsehpublikum 1964 die vier Jungs aus Liverpool vorstellte. Die nennen sich die Beatles, meinte Sullivan noch leicht verwundert – und schon legten sie los, der noch nicht 22-jährige Paul McCartney und seine schlaksigen Bandkollegen. Die vielen jungen Frauen im Publikum gerieten total aus dem Häuschen.
«Ich will Gitarrist werden!»
In einem Wohnzimmer in New Jersey, weit weg von diesem Getöse in den CBS-Studios in New York, wurde zur gleichen Zeit weniger gekreischt, dafür aber genau hingehört: Ein 9-jähriger Junge lauschte dem Auftritt der Pilzköpfe, und entschied in exakt diesem Moment, dass er Gitarrist werden möchte: Al Laurence Dimeola.
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Und es war mehr als einfach die Gitarre von George Harrison oder John Lennon, die klein Al faszinierte: Nein, es waren auch die Songs. Ein guter Song, wird er viele Jahre später zu Protokoll geben, ist die Hauptsache. Man könne noch so virtuos ein schlechtes Stück spielen, das werde einfach langweilig. Was zähle, sei der Song.
Vom Wohnzimmer in die hippste Fusion-Band
So gesehen erstaunt es wenig, dass der kleine Junge von damals heute mit einem Beatles-Programm unterwegs ist. Erstaunlich ist aber doch der Weg dahin. Al Laurence Dimeola, heute besser bekannt als Al Di Meola, gehört zu den absolut flinksten Gitarristen auf dem Planeten und hat als rockige Gitarren-Stimme der Fusion-Band «Return to Forever» einen grossen Teil der heutigen Gitarristen-Gemeinde nachhaltig beeinflusst.
Mit 19 schon wurde er geholt, vom Bandleader und Pianisten Chick Corea, der mit dieser Band damals auf dem Höhepunkt des Erfolgs war. Und der dem jungen Al Di Meola nicht einfach einen Job, sondern das Sprungbrett zur ganz grossen eigenen Karriere anbot. Denn Chick Corea pushte seine Bandkollegen nicht nur unerbittlich, er ermutigte sie auch, eigene Stücke zu schreiben.
Weiterentwicklung auch auf dem Olymp
Nach diesen Lehrjahren bei «Return to Forever» konnte Al Di Meola nichts mehr aufhalten. 1980 spielte er «Live in San Francisco» ein, zusammen mit den beiden Gitarristen Paco De Lucia und John McLaughlin. Die Platte erlangte sehr schnell grosse Bekanntheit. Und sie hievte Al Di Meola endgültig auf den Gitarren-Olymp: Mit Paco und McLaughlin gehörte er zu den drei hippsten Gitarristen der Zeit.
Zum Glück hinderte ihn das nicht daran, sich weiterzuentwickeln. In den 1990er-Jahren liess Al Di Meola die elektrische Gitarre lange in der Ecke stehen und widmete sich anderen Stilen. Später folgte dann wieder eine eher elektrische Phase, und in einem Skype-Interview meinte der Gitarrist kürzlich, aktuell entwickle er sich mehr und mehr zum Solo-Künstler.
Gute Musik – und eine Spur Nostalgie
Fast im Alleingang hat Al Di Meola denn auch sein Beatles-Album aufgenommen, mit vielen Overdubs, also Spur über Spur geschichtet. Live präsentiert er das Material jedesmal unterschiedlich – am Festival Jazznojazz in Zürich zum Beispiel waren ein Pianist und zwei Perkussionisten mit dabei.
Die Zeiten sind zwar vorbei, in denen an Konzerten von Al Di Meola so gekreischt wurde, wie damals beim ersten Auftritt der Beatles in den USA. Das hat aber weniger mit der Qualität der Musik zu tun, als vielmehr mit dem Publikum von Di Meola, das mit ihm zusammen älter geworden ist.
Und vielleicht auch damit, dass das Beatles-Projekt von Al Di Meola auch ein etwas nostalgischer Blick zurück ist. Zurück in das Wohnzimmer, in dem der kleine Al Laurence den vier Liverpoodlians lauschte. Und vielleicht fasziniert war, dass man mit so wenigen Griffen so viel Applaus ernten kann.