Jazz ist Musik in stetem Wandel. Inspiration finden Musikerinnen und Musiker seit jeher, indem sie sich miteinander austauschen, sich aneinander messen. In knapp der Hälfte der Bands am Jazzfestival Schaffhausen sind Musikerinnen und Musiker aus der französischen Schweiz involviert. Drei Acts aus dem Schaffhauser Hauptprogramm sind in der Westschweiz zu Hause. «Rideau de Rösti» auf also für eine durchmischte Jazzszene Schweiz? Für einen Austausch über die Sprachgrenzen hinweg?
Pro Helvetia unerstützt die regionale Verschränkung
Ganz so eitel Sonnenschein ist es nicht. Das Jazzfestival Schaffhausen wird dann von Pro Helvetia unterstützt, wenn eine gewisse Anzahl von Westschweizer Bands im Programm sind. Ist also der natürliche Austausch zwischen den Regionen so gering, dass Pro Helvetia mit finanziellen Anreizen nachhelfen muss? Urs Röllin, Organisator des Jazzfestivals Schaffhausen, verneint. Pro Helvetia unterstütze das Festival lediglich dort, wo die Stiftung überhaupt Gelder geben könne, nämlich in der regionalen Verschränkung.
Für Pro Helvetia sieht die Sache allerdings anders aus. Tatsächlich könnte der Kulturaustausch über die Sprachgrenzen stärker sein, betont Andri Hardmeier, Leiter der Abteilung Musik von Pro Helvetia. Die jeweils anderen Sprachregionen seien für Bands weniger attraktiv als das nahe Ausland. Die Romands wollen nach Frankreich, Deutschschweizer Bands zieht es nach Deutschland oder Österreich.
Cully, Stans und Willisau sind nebst Schaffhausen die anderen Festivals, mit denen Pro Helvetia vergleichbare Leistungsvereinbarungen getroffen hat. Besonders die Verträge mit Cully und Schaffhausen wollen Bands aus der jeweils anderen Sprachregion unterstützen. Und tatsächlich scheinen auch im Programm von Cully Jazz vermehrt Deutschschweizer auf.
Die Sprachgrenze erschwert den Austausch
Grundsätzliches Interesse an den anderen Sprachregionen ist bei den Organisatoren der beiden Festivals aber schon lange vorhanden: Das Jazzfestival Schaffhausen reserviert seit jeher drei Plätze im Hauptprogramm für Romands. Und die Leiterin von Cully Jazz suchte über Jahre an den Festivals in Willisau und Schaffhausen nach Deutschschweizer Talenten.
Carine Zuber ist seit Anfang Jahr nebst Cully Jazz auch verantwortlich für das Programm des Zürcher Jazzclubs Moods. Deutschschweizer Bands im Welschland hören: Das sei kaum möglich, erzählt sie. Es gebe generell wenig Auftrittsmöglichkeiten da, also werde es eng für «Auswärtige». Ausserdem fänden Deutschschweizer Musiker kaum in den Medien statt – was übrigens auch umgekehrt nicht der Fall ist. Die vielbeschworene Sprachgrenze: Sie erschwert den Austausch, auch in der Welt des Jazz.
Schulen bilden neue Szenen
Die verschiedenen Szenen nähern sich einander aber konstant an. Das ist ganz klar den Jazzschulen zu verdanken. Diese mauserten sich im Laufe der 1990er-Jahre als Äquivalent zu den klassischen Konservatorien. Die grossen Schulen ziehen seither unzählige Interessierte aus der ganzen Schweiz an. Und die gemeinsame Schulzeit, das jahrelange Zusammenspiel in Workshop schweissen Bands zusammen: So kommt es automatisch zu immer mehr durchmischten Bands.
Dass in mehr als der Hälfte der Bands in der aktuellen Werkschau des Schweizer Jazz Romands und Deutschschweizer zusammenspielen, hängt mit der gemeinsam durchlebten Ausbildungszeit zusammen. Die Jazzschule Luzern etwa hat sich zu einem Schmelztiegel für Bands entwickelt. Ein Beispiel: für die Neuauflage seiner Band Christy Doran’s New Bag hat der Gitarrist Christy Doran drei seiner ehemaligen Luzerner Schüler gewonnen. Zwei dieser Musiker stammen aus Biel, ihre Muttersprache ist Französisch. Die Schweizer Jazzschulen helfen also mit, den Röstigraben zuzuschütten.